Demokratie & Gerechtigkeit

Was ist moderne Demokratie: Definition, Grundprinzipien, Verwirklichung

Die Demokratie garantiert die Achtung von Menschenrechten und politische Teilhabe. Doch in den letzten Jahren ist sie in vielen Teilen der Welt unter Druck geraten, in manchen Staaten gar von Autokratien abgelöst worden. Was können wir dagegen tun?

by Franziska Otto

Was ist eine Demokratie?

Der Begriff Demokratie bezeichnet eine bestimmte Herrschaftsform. Er kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie “Herrschaft des Volkes”. Die ursprüngliche Bedeutung unterscheidet sich jedoch etwas von unserem heutigen Verständnis von Demokratie, es handelte sich nämlich um eine direkte Demokratie von freien Männern. Diese versammelten sich auf den Marktplätzen ihrer Städte oder Dörfer und entschieden gemeinsam über politische Angelegenheiten. Tatsächlich war die Herrschaftsform Demokratie im alten Griechenland nicht unumstritten. Berühmte Philosophen wie Platon und Aristoteles missbilligten sie als die Herrschaft der Unterschicht. Die Armen und Faulen wären in der Mehrzahl und würde damit die Wohlhabenden überstimmen.

Unsere moderne Demokratie funktioniert nicht mehr wie damals. Meist entscheiden gewählte Repräsentanten des Volkes über Gesetze und andere Belange. Es gibt aber auch Staaten, wie die Schweiz, in denen eine direkte Demokratie herrscht. Hier entscheiden Bürgerinnen und Bürger direkt über neue Gesetze und Bestimmungen. In der Form von Volksentscheiden gibt es dies, in geringerem Ausmaß, auch in Deutschland. Als es zum Beispiel um die Frage ging, ob Hamburg die Olympischen Sommerspiele 2024 ausrichten soll, hatten Bürgerinnen und Bürger die letzte Stimme. Sie entschieden sich dagegen.

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Was macht eine Demokratie aus? Was sind wesentliche Merkmale einer Demokratie?

Ein Staat ist nicht automatisch eine Demokratie, nur weil er es von sich behauptet. So trug die Deutsche Demokratische Republik (DDR) die Demokratie zwar im Namen, in der Realität hatte sie damit jedoch nichts zu tun.

Da man den Selbstbeschreibungen von Regierungen also nicht immer Glauben schenken kann, gibt es eine Liste von Merkmalen, die eine Demokratie ausmachen. Es reicht dabei nicht, dass ein Staat fünf von sieben Merkmalen erfüllt. Nur ein Staat, der alle Merkmale aufweist, ist auch tatsächlich eine Demokratie.

Volkssouveränität

Volkssouveränität bedeutet, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Alle Organe des Staates sind entweder direkt oder indirekt durch das Volk legitimiert.

Direkte Legitimation erhält ein Organ, indem es durch das Volk gewählt wurde, wie etwa der Deutsche Bundestag oder die Landtage der Bundesländer. Bürgerinnen und Bürger stimmen direkt für den oder die Abgeordnete, der oder die sie vertreten soll.

Indirekt legitimiert sind solche, die durch die gewählten Repräsentanten gewählt werden. Ein Beispiel hier ist die Kanzlerschaft, ein Amt, welches durch den Bundestag bestimmt wird.

Damit unterscheidet sich die Demokratie von anderen Regierungsformen wie etwa der Monarchie, in der die Königin oder der König der Souverän sind.

Gewaltenteilung

Gewaltenteilung bedeutet, dass die drei zentralen Funktionen, die ein Staat ausübt, von unterschiedlichen und unabhängigen Organen wahrgenommen werden. Diese haben zusätzlich die Aufgabe, sich gegenseitig zu kontrollieren. Was sind diese drei Funktionen?

Die erste ist die Legislative, also die gesetzgebende Gewalt. In Deutschland ist dies der Bundestag oder die Landtage. Ihre Aufgabe ist die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierung.

Die zweite ist die Exekutive, die vollziehende oder ausübende Gewalt. Behörden und Regierungen zählen hierzu, aber auch die Staatsanwaltschaft und die Polizei. Sie sind für die Ausführung von Gesetzen verantwortlich und dabei selber an geltendes Recht gebunden.

Die dritte Funktion ist die Judikative, die Rechtsprechung. Zu ihr gehören Gerichte und Richterinnen und Richter.

Sinn und Zweck der Gewaltenteilung ist es zu verhindern, dass sich Macht an einer Stelle im System konzentriert und damit einfacher zu missbrauchen ist. Darüber hinaus ermöglicht sie gegenseitige Kontrolle. Das Bundesverfassungsgericht (Judikative) kann zum Beispiel darüber entscheiden, ob ein neues Gesetz, das der Bundestag (Legislative) verabschiedet hat, mit der Verfassung zu vereinbaren ist. Außerdem ermöglicht sie, dass Richterinnen und Richter in der Lage sind, unabhängig, ohne Einfluss von anderen Institutionen, Urteile fällen können.

Die Einteilung in Legislative, Exekutive und Judikative nennt man auch horizontale Gewaltenteilung. Daneben gibt es auch noch die vertikale Gewaltenteilung. Staatliche Kompetenzen werden auf unterschiedliche Ebenen aufgeteilt - in Bund, Bundesländer und Kommunen.

Rechtsstaatsprinzip

In einem Rechtsstaat sind die Verwaltung und die Rechtsprechung an Recht und Gesetz gebunden, dem staatlichen Handeln sind also Grenzen gesetzt, und eine Behörde kann nicht tun und lassen, was sie will. Dies schützt Bürgerinnen und Bürger vor staatlicher Willkür.

Das Rechtsstaatsprinzip besagt auch, dass für alle Menschen innerhalb des Staates die gleichen Gesetze gelten und sie sich auf die Einhaltung von Gesetzen verlassen können. Gleichzeitig erlaubt es, vorhersehen zu können, welche rechtliche Konsequenzen bestimmtes Handeln hat. Wer sich also dazu entscheidet, den Kiosk nebenan zu überfallen, weiß genau, dass dafür eine Gefängnisstrafe droht.

Konstitutionalismus

In einer Demokratie ist die Verfassung der verbindliche Rahmen für den Staat, aber auch für Bürgerinnen und Bürger. In Deutschland ist die Verfassung das Grundgesetz. Es legt die wesentlichen Regeln des politischen Prozesses fest, z.B. welche Staatsform herrscht und welche Grundrechte Bürgerinnen und Bürgern haben. Das Grundgesetz ist der wichtigste Rechtstext und steht über allen anderen Rechtsnormen.

Die Verfassung ist nicht unveränderlich. Eine solche Änderung benötigt allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und die Zustimmung des Bundesrats. Auch das Grundgesetz ist immer wieder geändert worden, hauptsächlich um zu berücksichtigen, dass sich Umstände geändert haben. Artikel 23 des Grundgesetzes zum Beispiel legte bis 1990 fest, in welchen geografischen Gebieten das Grundgesetz gilt und beinhaltete den Zusatz “In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen”. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde dieser Artikel gestrichen. Es gab nun keinen anderen Teil Deutschlands mehr.

Die Artikel 1 bis 20 des Grundgesetzes allerdings sind durch die sogenannte Ewigkeitsklausel (Art. 79 GG) geschützt und können nicht verändert werden. Sie beschreiben unter anderem, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und dass Deutschland eine Demokratie ist.

Achtung der Menschenrechte und Grundrechte

In einem demokratischen Staat werden die Rechte der dort lebenden Menschen geachtet und geschützt. Dies umfasst alle individuellen Rechte, die einer Person von Geburt aus zustehen, wie das Recht auf Bildung. Sie stellen die Grundlage für jegliches gesellschaftliches Zusammenleben dar, gelten also für den Umgang untereinander und müssen von allen staatlichen Organen respektiert werden.

Pluralismus

Pluralismus bedeutet, dass in einer Demokratie eine Vielzahl von Meinungen und Interessen nebeneinander existieren können. Tatsächlich ist dies sogar erwünscht, da so zum Beispiel unterschiedliche Parteien um die Gunst von Wählerinnen und Wählern konkurrieren müssen. So wird nicht nur eine Bandbreite von Weltansichten in einem Parlament vertreten, es fördert auch gesellschaftlichen Fortschritt.

Allerdings müssen sich auch hier alle an die gleichen Regeln, also Gesetze, halten.

Freie Medien

Freie und unabhängige Medien spielen eine entscheidende Rolle in jeder Demokratie. Sie informieren die öffentliche Debatte, decken gesellschaftliche oder politische Missstände auf. Sie helfen Bürgerinnen und Bürgern dabei, sich eine Meinung zu bilden und damit dabei, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, wer sie regieren soll. Gleichzeitig schaffen sie Transparenz innerhalb eines Staates und ziehen die Politik zur Verantwortung.

Die freie Presse wird auch als “vierte Gewalt” bezeichnet, da sie neben Legislative, Exekutive und Judikative eine wichtige Funktion einnimmt.

Wie sieht der demokratische Entscheidungsprozess aus?

Wahlen spielen eine essentielle Rolle im demokratischen Entscheidungsprozess. Durch sie können Wählerinnen und Wähler entscheiden, wer ihre Interessen auf lokaler oder auf Bundesebene vertreten soll. Oder sie können bei Volksentscheiden direkt über ein Vorhaben abstimmen. Damit eine Wahl auch tatsächlich als demokratisch gilt, muss sie einige Voraussetzungen erfüllen.

Allgemeine Wahl

Allgemein ist die Wahl, da alle Bürgerinnen und Bürger ein Stimmrecht besitzen - und zwar unabhängig von ihrem Einkommen, Geschlecht, Konfession, Beruf oder politischer Überzeugung. Die einzige Einschränkung ist das Alter. Wahlberechtigt ist, wer die Volljährigkeit erreicht hat, bei manchen regionalen Wahlen dürfen alle Personen über 16 Jahren wählen.

Gleiche Wahl

Gleiche Wahl bedeutet, dass jede Stimme gleich viel zählt. Das Kreuz des Firmenbesitzers wird also nicht mehr gewichtet als das seiner Mitarbeiter. Somit haben alle Bürgerinnen und Bürger den gleichen Einfluss auf die endgültige Zusammensetzung des Parlaments, das gewählt wird.

Freie Wahl

Eine freie Wahl ermöglicht eine Wahlentscheidung ohne äußeren Einfluss oder Druck. Jeder Wähler und jede Wählerin kann für sich selber entscheiden, welche Partei die eigenen Interessen vertritt.

Unmittelbare Wahl

Unmittelbare Wahl bedeutet, dass Wählerinnen und Wähler den gewünschten Abgeordneten oder die Abgeordnete direkt wählen. Damit unterscheidet sich das deutsche Wahlrecht von einem Land wie den USA. Dort werden erst Wahlleute gewählt, die dann wiederum den Präsidenten oder die Präsidentin bestimmen.

Geheime Wahl

Die Wahl ist geheim, da niemand mitteilen muss, wen er oder sie gewählt hat. Aus diesem Grund gibt es Wahlkabinen, in denen man alleine und abgeschirmt sein Kreuzchen macht, und die Wahlurnen. Natürlich darf man mit Freunden und Familie diskutieren, für wen man gestimmt hat. Aber genauso hat man das Recht darauf, dass niemand dies weiß.

Wie ist es mit der Demokratie in Deutschland?

Artikel 20 des Grundgesetzes legt fest, dass die Bundesrepublik Deutschland eine Demokratie ist. Deutschland ist eine repräsentative Demokratie, das Volk herrscht also durch gewählte Vertreter.

In globalen Rankings wird die deutsche Demokratie immer wieder unter den oberen Rängen platziert. Doch ist auch nicht hier alles perfekt. So hat eine Umfrage ergeben, dass 31 % der Befragte der Aussage zustimmen würden “Wir leben nur scheinbar in einer Demokratie, tatsächlich haben die Bürger nichts zu sagen”. Während dieser Wert sehr hoch erscheint, ist er bereits eine Verbesserung, Jahre zuvor hatten noch 36 % der Aussage zugestimmt.

Experten geben aber auch zu bedenken, dass Kritik und Unzufriedenheit mit der aktuellen Lage nicht automatisch negativ sind. Wie bereits erwähnt, sind im Rahmen des Pluralismus unterschiedliche Meinungen sogar erwünscht. Ohne Kritik kann es keine Verbesserungen geben. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich nicht gegen demokratische Werte oder die Demokratie im Ganzen richtet.

Was ist mit dem Rest der Welt? Wo kann Demokratie wirklich stattfinden?

Die Demokratie steckt weltweit in der Krise. Immer mehr Staaten wandeln sich von Demokratien zu defekten Demokratien bis hin zu Autokratien.

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2022 hat ergeben, dass es zum ersten mal seit 2004 mehr autokratische als demokratische Staaten gibt. Gerade durch die Corona-Krise haben sich bereits bestehende Probleme nochmals verschärft. In vielen Staaten wurden Rechte eingeschränkt und zwar zum Teil in einem Ausmaß, das über die Verhältnismäßigkeit hinaus ging. Staaten wie Ungarn, Slowenien und Polen nutzen die Situation, um den Notstand auszurufen, und so Gesetze ohne ausreichende Konsultation durchzudrücken.

Die Studie zeigt auch, dass in den vergangenen zehn Jahren jede fünfte Demokratie an Qualität verloren hat - eine erschreckende Zahl. Der Grund dafür sind häufig einseitige Machtkonzentration auf politische Eliten und Machtsicherung, die über jedem gesellschaftlichen Fortschritt stehen.

Vor allem skandinavische Staaten, wie Schweden und Norwegen, zeichnen sich hingegen durch sehr robuste Demokratien aus. Hier gibt es freie und faire Wahlen und problemlose Regierungswechsel. Angehörige von Minderheiten haben gleiche politische Rechte und sind durch Gesetze geschützt.

Was können wir auf globaler und individueller Ebene tun, um demokratische Prinzipien Wirklichkeit werden zu lassen?

Der Verfall demokratischer Institutionen ist nichts, was plötzlich und über Nacht geschieht. Vielmehr geht ihm meist eine Reihe von mal mehr, mal weniger großen Grenzüberschreitungen voraus. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle aufmerksam bleiben und schauen, was im politischen Geschehen passiert.

Ebenso wichtig ist es, dass wir uns in demokratische Prozesse einbringen. Sei es, indem man selber politisch aktiv wird oder indem man zu Wahlen geht. Nur so können wir die Demokratie bilden, die wir selber möchten.

Auf globaler Ebene zeigt sich, dass gerade dort, wo Regierungen versagen, die Zivilgesellschaft und bürgerliches Engagement eine entscheidende Rolle spielen. Sie sind häufig der letzte Schutz im Kampf gegen die Autokratisierung. Deshalb müssen wir Organisationen unterstützen, die sich aktiv für die Demokratie und den Schutz von Menschenrechten einsetzen. Die Vergangenheit und die Gegenwart zeigen, dass der Zerfall von Demokratien kein begrenztes, lokales Problem ist, sondern immer wieder auch auf andere Staaten überschwappt.


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Fotokredit:

Zachary nelson/Unsplash

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