Demokratie & Gerechtigkeit

Was ist Populismus: Definition, Merkmale, Beispiele

Populismus ist ein Politikstil, der über die letzten Jahre die öffentlichen Debatten in Europa bestimmt hat. Doch was bedeutet populistisch eigentlich genau? Und was warum ist der Populismus so gefährlich?

by Franziska Otto
Wissen ist Macht.

Was bedeutet Populismus?

Der Begriff Populismus geht auf das lateinische Wort “populus” zurück, was “das Volk” heißt. Unter Populismus versteht man heute einen bestimmten Politikstil. Eine genaue oder einheitliche Definition gibt es allerdings nicht. Der Begriff gilt viel mehr als unpräzise und vorurteilsbehaft, weil er gerade in öffentlichen Debatten häufig als eine Art “Totschlagargument” genutzt wird, um gegenteilige Meinungen zu diskreditieren.

Genauso wenig, wie es eine einheitliche Definition gibt, gibt es “den” Populismus. Er wird von unterschiedlichen politischen Lagern genutzt, sei es von links oder rechts, und kann mit anderen weiteren Ideologien aufgeladen werden. Beim Rechtspopulismus sind dies zum Beispiel radikaler Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit.

Populismus entsteht häufig in Phasen, in denen es große Veränderungen oder Umbrüche gibt. In Deutschland ist ein gutes Beispiel das Erstarken von populistischen Bewegungen und Parteien wie der Alternative für Deutschland, nachdem das Land im Jahr 2015 viele vor dem Krieg fliehende Menschen aufgenommen hat.

Donate to liberties

Hilf uns, die Demokratie gegen Populisten immun zu machen

Wir glauben, dass Vielfalt unsere Gemeinschaften besser macht. Wenn du uns zustimmst, stehe uns bei unserem Einsatz für die Menschenrechte aller bei.

Gemeinsam sind wir stärker

Populisten spalten, indem sie Minderheiten angreifen, um ihre Macht zu erhalten. Unser Team von Rechtsexpert*innen hat geholfen, neue Mechanismen zu schaffen, um EU-Mittel zu kürzen, wenn Politiker*innen die Rechte von sozial ausgegrenzten Menschen schwächen. Aber die EU braucht mehr Durchsetzungsvermögen. Hilf uns, die EU dazu zu bringen, alle ihre Befugnisse zu nutzen, damit alle Menschen ihre Rechte wahrnehmen können.

Was sind die Merkmale des Populismus?

Auch wenn es keine einheitliche Definition von Populismus gibt, so gibt es doch eine Reihe von Merkmalen die ihm zugeschrieben werden können.

Populisten berufen sich auf “das Volk”. Dabei betrachten sie die Bevölkerung jedoch als eine Einheit, gerade so, als gäbe es keine innergesellschaftlichen Unterschiede. Für Populisten existiert nur 'ein' Volk und somit nur 'eine' Meinung. Und weil sie davon ausgehen, dass nur sie diese Meinung kennen und verstehen, können ihrer Meinung nach auch nur sie selbst für die 'wahren' Bedürfnisse des Volkes eintreten.

Das Volk wird dann in einen Gegensatz zu einem mehr oder weniger beliebigen 'Anderen' gestellt, häufig “die da oben”. Regierung und/oder die Medien werden als grundsätzlich korrupte und abgehobene Institutionen dargestellt, die jeglichen Bezug zur Bevölkerung verloren hätten.

Außerdem schüren Populisten Angst und Unsicherheit, indem sie hauptsächlich über Negatives berichten. Sie warnen vor Gefahren die angeblich von bestimmten Bevölkerungsgruppen ausgehen und meinen damit ethnische Minderheiten, Feministinnen, LGBTQI-Personen oder Einwanderer. Anderen Akteuren, wie politischen Parteien und Menschenrechtsaktivisten, werfen sie gerne vor, unpatriotisch zu sein oder 'die nationale Kultur' zu zerstören.

Komplexe gesellschaftliche Themen werden extrem vereinfacht und häufig stark emotionalisiert. Durch diese Vereinfachung soll der Eindruck geschaffen werden, dass Probleme von den Populisten besser gelöst werden können als von ihren Konkurrenten oder von “der Elite”.

Ein weiteres Merkmal des Populismus ist die Konzentration auf eine charismatische Führungsperson. Diese soll den Willen “des Volkes” gegen sämtliche Hindernisse durchsetzen und sie vor angeblichen Gefahren schützen, die ihre traditionelle Lebensweise bedrohen.

Populismus-Beispiele: Wie erscheint er im 21. Jahrhundert?

Der Populismus ist bereits mitte des 19. Jahrhunderts in Europa entstanden, politisch wirklich bedeutend wurde er aber erst im 21. Jahrhundert. Heute gibt es in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten populistische Parteien. Diese sind zwar nicht überall in gleichem Maße erfolgreich, aber sie spielen in vielen nationalen Parlamenten, sowie im europäischen Parlament, eine nicht unerhebliche Rolle.

Zumindest in Deutschland ist der populistische Trend inzwischen jedoch wieder rückläufig. Dem Populismusbarometer 2020 der Bertelsmann Stiftung zufolge, zeigte 2018 noch jeder dritte Wähler populistische Einstellungen, 2020 war es nur noch jeder fünfte. Gleichzeitig darf dabei jedoch nicht unterschätzt werden, dass Populisten, gerade am rechten Rand, dazu neigen, sich immer weiter zu radikalisieren.

Beispiel 1: Die Alternative für Deutschland:

In Deutschland lässt sich anhand des Beispiels der Alternative für Deutschland (AfD) zeigen, wie sich populistische Parteien stetig weiter radikalisieren.

Bei der Gründung der AfD im Jahr 2013 galt diese vor allem noch als national- und wirtschaftsliberale Partei, die sich teils rechtspopulistischer Rhetorik bediente. Der Fokus lag auf einem anti-Euro Programm, welches durch die damalige Euro-Krise begünstigt wurde und der Partei erste Erfolge brachte.

Mit der Zeit kam es jedoch zu einer deutlichen Verschiebung nach rechts und dem Erstarken des innerparteilichen national-konservativen Flügels. Im Rahmen der Flüchtlingsdebatte 2015 veränderte sich dann der Fokus der Partei auf das Thema Flucht. Es wurde Stimmung gegen Flüchtende gemacht und der Regierung vorgeworfen, gegen die Interessen des eigenen Volkes zu handeln.

Dabei nutze die AfD immer wieder bewusst provozierende Aussage (z.B. sagte die damalige Parteivorsitzende Frauke Petry, dass notfalls an der Grenze auf Flüchtende geschossen werden sollte), nur um dann zurückzurudern, eine angeblich fehlende Meinungsfreiheit anzuprangern, und sich selber in eine Opferrolle zu begeben.

Inzwischen ist die Partei soweit nach rechts gerückt, dass sie vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet wird.

Beispiel 2: Das Brexit-Referendum 2016

Im Jahr 2015 versprach David Cameron, der damalige Premierminister des Vereinigten Königreichs und Mitglied der Konservativen Partei, dass er im Falle eines Wahlsiegs seiner Partei bei den Unterhauswahlen die Rolle des Vereinigten Königreichs innerhalb der Europäischen Union neu verhandeln und die britischen Bürgerinnen und Bürger anschließend darüber abstimmen lassen würde, ob sie in der EU bleiben wollten.

Was folgte, war ein von Populismus geprägter Wahlkampf zum Referendum. Der UK Independence Party, einer Partei deren Ziel der EU-Austritt war, gelang es Ängste auszunutzen und Stimmung gegen Einwanderung und “Brüssel” (als das “Establishment” / "die führende Elite") zu machen. Die Vor- und Nachteile einer EU-Mitgliedschaft wurden nicht diskutiert. Stattdessen wurde suggeriert, dass die Eliten der EU Entscheidungen über nationale Regierungen treffen, denen sich diese beugen müssen.

Der Wahlkampf war stark emotionalisiert. Komplexe Themen, wie Entscheidungsprozesse innerhalb der EU und Mitgliedsbeiträge wurden extrem vereinfacht. So nutze die Leave-Kampagne einen Bus der dazu aufrief, dass die 350 Millionen Pfund, die jede Woche nach Brüssel gezahlt werden müssten, doch besser für den Nationalen Gesundheitsdienst genutzt werden sollten. Dabei wurde völlig außer Acht gelassen, dass Großbritannien nicht nur Geld an die EU zahlt, sondern auch viel Fördergeld zurückerhalten hat.

Am Ende war die populistische Leave Kampagne, wenn auch knapp, erfolgreich und die britische Bevölkerung stimmte für den Austritt aus der EU.

Beispiel 3: Ungarn und die Fidesz

Innerhalb der Europäischen Union ist mit der ungarischen Fidesz eine rechtspopulistische Partei an der Macht. Ihr Beispiel zeigt eindrücklich, wie sich ein Staat unter der Regierung durch Populisten verändern kann.

Die Politik von Ministerpräsidenten Viktor Orban und der Fidesz Partei ist durch eine ausgeprägte "Anti-Eliten" Rhetorik geprägt, sei es gegen die Europäische Union, den Westen im Allgemeinen, oder gegen unabhängige Medien. Orban ist ein charismatischer Führer, der es schafft seine Anhängerschaft zu mobilisieren. In seinen Kampagnen schürt er nicht nur Ablehnung gegenüber der EU, sondern auch Ängste vor Zuwanderung und Fremdenfeindlichkeit. Zivilgesellschaftliche Organisationen werden untern anderem als “ausländische Agenten” bezeichnet, die zusammen mit “den Eliten” versuchen würden aus Ungarn ein Einwanderungsland zu machen und so die nationale Identität bedrohen.

Gleichzeitig baute sich Orban den Staat so um, dass für die Opposition schwieriger wurde, der populistischen Politik etwas entgegenzusetzen. Die freie Presse wurde geschwächt, Parteifreunde hingegen in wichtige Position großer Medienhäuser gehievt.

Mit der Zeit wurden so immer mehr demokratische Grundprinzipien untergraben und der Zustand der ungarischen Demokratie gilt als sehr kritisch.

Warum passen Demokratie und Populismus nicht zusammen?

Es mag sein, dass ein gemäßigter Populismus nicht automatisch anti-demokratisch ist, aber ein extremer Populismus, genau wie auch der Rechtspopulismus lässt sich nicht mit den Werten einer freiheitlichen Demokratie vereinbaren.

Um zu erklären warum dies der Fall ist, muss erst ein grundsätzliches Merkmal einer liberalen Demokratie erklärt werden: der Pluralismus. Pluralismus bedeutet, dass innerhalb einer demokratischen Gesellschaft viele Lebensentwürfe, Meinungen, Interessen und Ziele gleichwertig nebeneinander existieren können. Das Miteinander ist geprägt von Achtung und Respekt und die Menschen erkennen die Vielfalt der Gesellschaft an. Dies gilt auch für die Politik, denn alle haben das Recht, dass ihre Meinungen von Politikern und Politikerinnen gehört und beachtet werden.

Populisten erkennen diesen Pluralismus jedoch nicht an. Sie sehen das Volk als eine homogene Masse. Nur bestimmte politische Positionen und Einstellungen werden anerkannt. In extremeren Fällen werden abweichende Meinungen sogar als Verrat angesehen.

In Deutschland ist vor allem Populismus aus dem rechten Spektrum präsent. Dieser nutzt Begriffe wie “Volk” und “Nation” vor allem so, dass gesellschaftliche Minderheiten ausgegrenzt werden.

Die Emotionalisierung von Problemen spiegelt sich auch in der Art und Weise wider, wie Populisten Debatten führen. In Diskussionen werden Beleidigungen genauso häufig bewust eingesetzt wie “alternative Fakten”. Letztere stützen sich hauptsächlich auf Gefühle und eigene Meinungen anstelle von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das macht eine sachliche Debatte natürlich sehr schwierig. In einer Demokratie wird versucht, auf Grundlage von Fakten einen Kompromiss zu erlangen. Ist die Gegenseite aber nichts willens eine solche Einigung zu erzielen, ist dies beinah unmöglich.

Wie bedroht Populismus den Rechtsstaat?

Durch die Unterscheidung von “Wir” gegen “Die da Oben” schüren Populisten Misstrauen in demokratische Organisationen. So erzählen sie ihren Anhängern zum Beispiel, dass Wahlen nicht sicher sind oder das die Regierung und Eliten gegen den Willen des Volkes handeln. Kritik an den Entscheidungen der Regierung gehört zu einer funktionierenden Demokratie und ist sogar erwünscht, aber die von Populisten in die Welt gesetzten Narative gehen über das gesunde Maß hinaus und gefährden demokratische Prozesse.

Länder wie Polen und Ungarn zeigen, wie populistische Regierungen den Rechtsstaat unterwandern. Um die eigene Macht zu zementieren und Gesetze auch gegen den Einspruch von Verfassungsgerichten durchzusetzen, wurden in Polen unliebsame Richter*innen zum Beispiel früher in Rente geschickt, damit sie dann durch solche ersetzt werden können, die der eigenen Ideologie angehören.

Wie mit Populismus umgehen? Wie sehen mögliche Lösungen aus?

“Die Lösung für das Problem des Populismus gibt es nicht. Manche kpönnen gut gemeinte Gegenmittel sogar negative Folgen haben. So versuchen zum Beispiel gemäßigte Parteien populistischen Parteien Wähler abzunehmen, indem sie sich diesen thematisch annähern. Das geht jedoch häufig schief. Zum einen bleiben Wählerinnen und Wähler in solchen Situationen eher beim “Original”, also bei den Populisten. Zum anderen kann es dazu führen, dass extremere Meinungen normalisiert werden und in die Mitte der Gesellschaft gelangen.

Es gibt allerdings eine Reihe von Strategien, die genutzt werden können um Populisten zu schwächen.

So sollte es vermieden werden, populistische Parteien zu ignorieren. Populistische Parteien könnten sich so in eine Opferrolle begeben, die ihre Position außerhalb der Elite noch weiter bestätigen würde. Vielmehr sollte eine inhaltliche Debatte gesucht werden, um zu zeigen, dass Populisten zwar viel über Probleme reden, tatsächlich aber selber keine adäquaten Lösungen bieten.

Auch mehr Transparenz kann eine mögliche Lösung sein. Sie gibt Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit zu sehen und zu verstehen, wie eine Regierung handelt und warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden. Dem Dialog zwischen Wähler*innen und Gewählten kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.


Photo credit:
Tib Tib / Segio Foo biker / Internetredactie Ad - Flickr

Schätze das Wissen, unterstütze Liberties.
Alle großen Bewegungen beginnen mit dem Austausch von Informationen. Unsere Artikel erklären wichtige Menschenrechtsthemen, damit wir gemeinsam für das eintreten können, was zählt. Unterstütze uns, indem du unseren Autor*innen einen Kaffee spendierst.
Stärke unsere Stimme.


Donate to liberties

Gemeinsam machen wir den Unterschied

Wenn viele sich zusammenschließen, besiegen wir die wenigen, die denken, sie hätten die ganze Macht. Schließ dich uns an, es geht um Rechte für uns alle.

Mach mit beim Schutz unserer Freiheiten

Wir haben
► Den größten Fonds für Demokratieinitiativen in der EU geschaffen
► Neue Befugnisse geschaffen, um Autokraten die EU
► Finanzierung zu entziehen
► neue EU-Regeln verfasst, um Journalisten und Aktivisten vor Scheinklagen zu schützen

► Über 400 Menschenrechtsverteidiger/innen ausgebildet, um die Kampagnen, die dir am Herzen liegen, zu unterstützen.


Weitere Meilensteine

Gemeinsam machen wir den Unterschied

Wenn viele sich zusammenschließen, besiegen wir die wenigen, die denken, sie hätten die ganze Macht. Schließ dich uns an, es geht um Rechte für uns alle.

Aboniere den Newsletter, um

dabei zu sein

Warum sollte ich?

Du bekommst die neuesten Berichte vor allen anderen!

Du kannst miterleben, wie wir uns für Deine Rechte einsetzen!

Du wirst sehen, was wir erreicht haben!

Zeig mir ältere Ausgaben des Newsletters