Demokratie & Gerechtigkeit

Was bedeutet Marginalisierung: Definition, Beispiele, Merkmale des Phänomens

Was bedeutet es, jemanden auszugrenzen, und wie gehen dominante Gruppen dabei vor? Marginalilisierung passiert in Europa, und sie schadet uns allen.

by Jonathan Day

Wie frei und gerecht ist deine Gesellschaft? Wie du diese Frage beantwortest hängt sicherlich von der Regierung ab, unter der du lebst, aber genauso stark wird sie von deiner Stellung in der Gesellschaft beeinflusst. Wenn du weiß und wohlhabend bist, wirst du vielleicht schnell antworten, dass die Gesellschaft, in der du lebst, sehr frei und sehr gerecht ist. Aber wenn du einen Angehörigen einer Minderheit oder sogar deine Großeltern fragst, kann die Antwort ganz anders ausfallen. Das liegt daran, dass die herrschenden Gruppen in Europa weiterhin Minderheiten und andere Gruppen ausgrenzen. Und auch wenn es nicht so aussieht, ist das eine schlechte Nachricht für alle.

Wie bereits erwähnt, kämpft die LGBTQI+-Gemeinschaft weiterhin darum, die gleichen Rechte wie andere zu erhalten. In Polen zum Beispiel werden sie von regierungsfreundlichen Medien mit Hassreden und Verfolgung bedroht und sogar von Politikern zum Sündenbock gemacht, weil sie sich von solchen Manövern bessere Wahlchancen versprechen.

Unsere Gesellschaften grenzen auch ethnische Gruppen aus, sei es absichtlich oder durch überholte Politiken und Praktiken. Nach wie vor werden Schwarze und andere Minderheiten in Frankreich und Belgien durch institutionalisierte Diskriminierung ausgegrenzt. Roma leben in Bulgarien, Rumänien und Ungarn in isolierten Gemeinschaften und haben in diesen Ländern, aber auch in der Tschechischen Republik und anderen Ländern, Schwierigkeiten beim Zugang zu Bildung.


Ältere Menschen sind besonders gefährdet, ausgegrenzt zu werden. Ihre eingeschränkte Mobilität und ihr erhöhter Pflegebedarf schaffen bestimmte Bedürfnisse, die selbst manche wohlmeinende Regierung überfordern. Auch sie leben oft in abgeschotteten Gemeinschaften, die ihre Isolation verstärken und es ihnen erschweren, am Alltagsleben oder an wichtigen Ereignissen wie Wahlen teilzunehmen.

Unsere Gesellschaften grenzen auch Menschen mit Behinderungen aus, entweder durch Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Notlage oder durch Unwissenheit über das Ausmaß des Problems. Aber selbst in den wohlhabendsten europäischen Ländern kommt es häufig vor, dass Gebäude für sie nicht zugänglich sind oder dass sie durch unzureichende Unterstützung an den Rand gedrängt werden, z. B. wenn es darum geht, trotz einer Seh- oder Hörbehinderung Regierungsdebatten oder Gerichtsverfahren zu verfolgen.

Wie grenzen dominante Gruppen andere aus?

In einer Demokratie zu leben bedeutet, dass die Menschen Politiker/innen wählen können. Diesen Politikern geben sie damit die Macht, die Politik zu gestalten und umzusetzen, die unsere Gesellschaft prägt. Das bedeutet aber auch, dass die Politiker/innen in gewisser Weise repräsentativ für diejenigen sind, die sie gewählt haben. Das zeigt sich nicht nur an der ethnischen Zugehörigkeit und dem Geschlecht, sondern auch an Dingen wie Religion, Bildung und sozioökonomischem Hintergrund.

Je mehr eine Person ihren politischen Führungskräften "nicht gleicht", desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Stimme gehört wird. Das wird bei Minderheitengruppen deutlich. Sie sind in der Regierung unterrepräsentiert und haben es nach wie vor viel schwerer als andere, einen sicheren Arbeitsplatz zu finden, Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung zu erhalten, ihre Kinder auf gute Schulen zu schicken oder auch nur öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Es gibt noch andere Beispiele dafür, wie dominante Gruppen andere marginalisieren, die vielleicht passiver oder weniger absichtlich erscheinen. Die Vernachlässigung der öffentlichen Infrastruktur oder der Steuer- und Sozialleistungspolitik kann zum Beispiel Behinderte oder arme Menschen ausgrenzen. Das liegt oft daran, dass sie es schwer haben, sich Gehör zu verschaffen und deshalb von den Regierungen übersehen werden.

Ein weiteres Beispiel sind Frauen - viel zu lange schon und auch heute noch sind die politische und die soziale Kultur von Männern dominiert. Das hat Frauen in vielerlei Hinsicht ausgegrenzt, z. B. indem es ihnen schwer gemacht wurde, ins Berufsleben einzusteigen oder an Wahlen teilzunehmen. Glücklicherweise ändert sich das (langsam) und Frauen nehmen immer mehr Sitze in den Parlamenten und an den Tischen der Vorstandsetagen ein.

Warum ist Marginalisierung so schlimm? Was können wir dagegen tun?

Die meisten von uns wollen in einer Gesellschaft leben, in der Menschen gleich behandelt werden, gleiche Chancen auf Erfolg und Gesundheit haben und in Sicherheit und Zufriedenheit leben können. Wenn wir Menschen oder ganze Gruppen ausgrenzen, entfernen wir die Gesellschaft als Ganzes immer weiter von diesen Werten. Wir machen sie weniger gleich, weniger gerecht und weniger angenehm für alle. Die Ausgrenzung verlangsamt auch den Fortschritt und unterbricht den freien Fluss von Ideen, die für die Gesellschaft als Ganzes von großem Nutzen sein könnten.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie wir die Ausgrenzung stoppen können. Ganz oben müssen die Regierungen die Bedürfnisse aller Menschen besser berücksichtigen, nicht nur die ihrer Unterstützer. Das bedeutet nicht nur eine gerechte Politik, sondern auch eine gerechte Verteilung und Zugänglichkeit von Ressourcen. Wasser und Strom, Straßen und öffentliche Verkehrsmittel - es geht darum, die Praxis und die Infrastruktur zu verbessern, nicht nur die Einstellung. Schönen Worten müssen Taten folgen.

Auch die Wahlsysteme müssen fair sein. Wie leicht dominante Gruppen andere an den Rand drängen können, hängt auch davon ab, wie leicht oder wie schwer es für marginalisierte Menschen ist, an Wahlen teilzunehmen. Das bedeutet, dass sie sich vor der Wahl in der öffentlichen Debatte Gehör verschaffen und am Wahltag gleichen Zugang zu den Wahllokalen haben müssen. Und natürlich ist das alles mit Dingen wie Infrastruktur, wirtschaftlicher Sicherheit und anderen Fragen im Zusammenhang mit Marginalisierung verknüpft.

Bildnachweis:
Jelleke Vanooteghem, Raul Petri, Mohamed Lammah /Unsplash/Fauxels/Pexels


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