Technologie & Rechte

Warum Zensur durch Big Tech der freien Meinungsäußerung schadet

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein wesentlicher Bestandteil einer freien und demokratischen Gesellschaft. Deshalb werden unsere Gesellschaften weniger demokratisch, wenn Big-Tech-Zensur unserer Rede Grenzen setzt.

by LibertiesEU

Es besteht kein Zweifel: Die großen Technologieunternehmen (Big Tech) haben heutzutage einen enormen Einfluss auf unser Leben. Fast alles, was wir tun, wird von dem beeinflusst, was uns Suchmaschinen und Plattformen zeigen: was wir kaufen, wohin wir gehen und sogar was wir fühlen. Sogar unsere Demokratie wird davon beeinflusst. Denn wenn das, was wir sagen können und was nicht, durch Big-Tech-Zensur eingeschränkt wird, bedeutet das für uns einen Verlust von Freiheit.

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Das Recht auf freie Meinungsäußerung kann nicht absolut sein

Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind nicht per se schlecht. Wir leben nicht in einer Gesellschaft mit absoluter Redefreiheit. Man kann zum Beispiel nicht auf die Straße gehen und schreien, dass man Menschen verletzen will, denn das schränkt die Sicherheit anderer Menschen und damit ihre Freiheit ein. Es gilt immer noch das alte Sprichwort: Die Freiheit eines Menschen endet dort, wo die Freiheit eines anderen Menschen anfängt.

Aber es handelt sich dabei um Prinzipien, die von Regierungen und den gesetzgebenden Körperschaften in unsere Rechtssysteme eingetragen worden sind, und somit obliegt es den Gerichten, zu entscheiden, ob diese Regeln gebrochen wurden. Das Problem ist, dass die großen Tech-Plattformen im Internet, möglicherweise unfreiwillig, selbst zu Polizei und Gerichten geworden sind. Sie machen ihre eigenen Regeln darüber, was die Leute sagen dürfen. Und es ist schwierig bis unmöglich für Einzelpersonen, sich an Gerichte zu wenden, wenn sie der Auffassung sind, ein Technologieunternehmen habe ihre Redefreiheit verletzt. Diese Unternehmen sind in erster Linie ihren eigenen Aktionären gegenüber verantwortlich und dementsprechend ist ihr wichtigstes Anliegen auch den Profit zu maximieren, anstatt zu gewährleisten, dass das Internet eine Plattform für eine gesunde, gut informierte, demokratische Debatte bleibt. Wenn also ein privates Unternehmen entscheiden darf, was online akzeptabel ist und was nicht, kann das in einer demokratischen Gesellschaft zu Spannungen führen, denn warum Facebook oder Twitter manche Dinge akzeptieren, aber andere zensieren, bleibt ein Rätsel.

Große Tech-Unternehmen blockieren oder entfernen oft Inhalte, die von dschihadistischen Propagandisten und rechtsextremen Gruppen gepostet werden. Wir sind uns einig, dass dieses Material in der Regel über die Redefreiheit hinausgeht, weil es für unsere eigene Freiheit als Individuen und als Gesellschaft schlichtweg gefährlich ist. Aber das sind die eindeutigeren Fragen. Was machen wir mit Verschwörungstheoretikern, die behaupten, Impfungen seien ein Versuch der Regierung, uns zu kontrollieren? Ihre Aktionen sind gefährlich, weil sie die Fähigkeit unserer Gesellschaft gefährden, sich vor dem Virus zu schützen. Aber sollte Big Tech entscheiden, welche Art von Inhalten hier heruntergenommen werden und welche Inhalte bleiben können?

Donald Trump

Donald Trump war vielleicht das bekannteste Beispiel für jemanden, dessen Kommunikation durch soziale Medien abgeschnitten wurde. Viele Menschen sind der Meinung, dass Twitter viel zu lang gebraucht hat, wenn man bedenkt, dass Trump jahrelang, auch schon bevor er Präsident wurde, Spaltung und Rassenhass geschürt hat. Als Twitter sein Konto schließlich löschte, wurde dies damit begründet, Trump habe zu einem gewaltsamen Aufstand gegen den Kongress aufgerufen. Viele Kritiker warfen Twitter vor, gewartet zu haben bis Trump kurz vor dem Ende seiner Amtszeit war, weil das Unternehmen Angst vor einer Abstrafung durch den Präsidenten gehabt habe.

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Unabhängig davon, ob dir das Ergebnis gefällt oder nicht, ist das wirklich die Art und Weise, wie die Gesellschaft entscheiden sollte, was als freie Rede durchgeht und ab wann die Grenze überschritten ist? Diese Entscheidungen gehören in die Hände unabhängiger Gerichte, die nach dem Gesetz entscheiden, und nicht in die Hände von Unternehmen, die sich vorangig um ihren Profit sorgen.

Wie Zensur funktioniert

Derzeit gibt es, wenn überhaupt, nur wenige juristische Hebel gegen die Macht von Unternehmen wie Twitter. Sollte ein einzelnes Unternehmen so viel Macht haben?

Im Moment haben Twitter und Facebook Verhaltenskodizes, die sie auf Situationen im Internet anwenden. Zum Beispiel verstößt jeder Inhalt, der Selbstverletzung fördert, gegen ihre Regeln. Du darfst auch keine nicht jugendfreien Inhalte oder gewalttätige Bilder posten oder andere heikle ("sensitive") Bilder zeigen. Das Regelwerk ist im Laufe der Jahre immer umfangreicher geworden.

In den frühen 2010er Jahren, als der Islamische Staat in der Levante wütete, konnte er seine Propaganda über soziale Medien verbreiten und seine Fürsprecher konnten Hunderte, wenn nicht Tausende von Anhängerinnen und Anhängern gewinnen. Als die Regierungen die Social-Media-Plattformen dazu aufforderten, diese Art von Inhalten nicht mehr zu verbreiten, mussten die Plattformen angesichts des sozialen Aufruhrs nachgeben. Aber das Problem war, überhaupt zu erkennen, welche Inhalte als terroristisch einzustufen waren. Wenn die Plattformen solche Inhalte hätten entfernen müssen, hätten sie eine Armee von KontrolleurInnen gebraucht und so etwas kostet Geld und zwar ziemlich viel.

Ihre Lösung war es, sich Algorithmen zuzuwenden, um das Erkennen dieser Art von Inhalten zu automatisieren. Aber auch jetzt finden viele Inhalte, die nicht online sein sollten, ihren Weg auf unsere Bildschirme, während legitime Inhalte, die zum Beispiel Kriegsverbrechen dokumentieren, entfernt werden. KI kann vielleicht eindeutige Fälle erkennen, aber sie kann nicht zwischen völlig legalen Inhalten, die satirisch, lehrreich oder künstlerisch sind, und den wirklich gefährlichen Inhalten unterscheiden.

Wenn Deine Inhalte entfernt oder Dein Konto gesperrt wird

Wenn Inhalte von einer Social Media Plattform entfernt werden oder, schlimmer noch, dein Account gesperrt wird, solltest du nach einer Begründung verlangen. Im Normalfall sollte die Plattform dir auch eine solche geben, auch wenn sie nicht unbedingt besonders genau ausfallen wird. Wenn du mit der Begründung nicht einverstanden bist, gibt es ein Einspruchsverfahren, aber es ist selten, dass eine Sperre aufgehoben wird. Und einen Fall vor Gericht zu bringen dauert lange und ist teuer.

Das kann ein Problem sein, wenn du eine große Fangemeinde aufgebaut has,t oder wenn dein Business auf deine Social Media Präsenz angewiesen ist. Und du kannst darauf wetten, dass dies in einigen Ländern missbraucht wird, wo politische Rivalen Mittel und Wege finden, ihre Gegner blockieren zu lassen oder dafür zu sorgen, dass deren Inhalte entfernt werden.

Die Lösung?

Big Tech hat zu viel Macht, und wahrscheinlich auch gar keine Lust, Zensurbehörde zu spielen. Die EU hat mit Big Tech und den Social Media Plattformen vor einigen Jahren einen Verhaltenskodex ausgearbeitet, der aber freiwillig bleibt und die ganze Verantwortung bei Big Tech belässt. So wäscht die EU ihre Hände in Unschuld.

Die Lösung ist, dass die Regierungen das, was sie offline ohnehin schon tun, auch in der Online-Welt nicht lassen. Unsere gewählten Vertreter, die im Interesse der Öffentlichkeit handeln, sollte die Gesetze über das Verhalten in der Online-Welt schreiben und nicht die Unternehmen, die im Interesse ihrer Aktionäre handeln.

Das bedeutet nicht, dass den Unternehmen keine Rolle bei der Überwachung ihrer Plattformen zukommt. Aber Entscheidungen darüber, was NutzerInnen sagen dürfen, können nicht allein den Algorithmen überlassen werden. Social-Media Plattformen machen riesige Gewinne und sie müssen einen größeren Teil dieses Einkommens darein investieren, mehr Personal einzustellen, das Entscheidungen über die Sperrung von Inhalten oder das Nutzerkontenn überprüft. Es sollte für Betroffene immer möglich sein, eine Entscheidung zeitnah von einem Menschen überprüfen zu lassen. Darüber hinaus sollten Einzelpersonen die Möglichkeit haben, schnell und kostengünstig ein Gericht anzurufen. Dieses System sollte durch Steuern auf große Tech-Plattformen finanziert werden.

Internetplattformen sind das Äquivalent zu unseren öffentlichen Plätzen geworden, auf ihnen findet ein Großteil unserer öffentlichen Debatte statt. Es mag für Tech-Unternehmen in Ordnung sein, Geld mit den von ihnen angebotenen Diensten zu verdienen. Aber diese Plattformen sind zu öffentlichen Räumen geworden, die unsere Gesellschaft und unsere Demokratien prägen. Und das bedeutet, dass sie von Gesetzen regiert werden müssen, die von unseren Repräsentanten gemacht werden und die so umgesetzt werden, dass sie der Demokratie nicht schaden.

Wenn Big Tech sein eigenes Regelwerk aufstellt bedeutet das, dass unsere Sprache und unsere Demokratie von einem nicht gewählten Tech-Unternehmen regiert wird, das in erster Linie auf Profit aus ist. Das ist nicht die Art von Demokratie, die wir wollen, oder?

Bildnachweis: History in HD

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