Auf Schicksalsschläge können wir auf drei Arten reagieren: kämpfen, fliehen oder erstarren. Als ihre Schwester, die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia, am 16. Oktober 2017 ermordet wurde, schloss sich Corinne Vella ihrer Familie im Kampf für Gerechtigkeit an – ein Kampf, der acht Jahre später immer noch andauert.
Obwohl sie nur ehrenamtlich für die Daphne Caruana Galizia Foundation arbeitet, ist es als Ansprechpartnerin für Presseanfragen ihre Aufgabe, den Informationen eine bestimmte Richtung zu geben. „Wenn man mit einer solchen Situation konfrontiert war, weiß man, dass jeder getan hat, was er konnte. Und das ist, was ich tun kann“, erzählt mir Corinne.
Dank ihrer langjährigen Erfahrung im Medien- und Kommunikationsbereich war sie gut gerüstet, um mit dem Medienrummel umzugehen, der nach Daphnes Ermordung einsetzte: „Irgendwann schien jeder auf der Welt meine Telefonnummer zu haben.“
Die Stiftung wurde ursprünglich gegründet, um der Familie einen Rahmen für ihre Mission zu bieten: die Verantwortlichen für Daphnes Ermordung zur Rechenschaft zu ziehen und auf Rechtsreformen zum Schutz von Journalisten zu drängen.
Ein wegweisender Prozess auf der Suche nach Gerechtigkeit
Als ich mit Corinne spreche, sind gerade wenige Wochen seit dem Prozess gegen Robert Agius und Jamie Vella vergangen, die wegen der Beschaffung der Autobombe, die bei Daphnes Ermordung verwendet wurde, zu lebenslanger Haft verurteilt wurden.
Corinne beschreibt den Fall als „wegweisend“ und das Ergebnis „hervorragender Arbeit von guten Menschen in einem schlechten System“, sagt aber: „Wahre Gerechtigkeit würde bedeuten, dass alle, die an Daphnes Ermordung beteiigt waren, ihre gerechte Strafe erhalten würden. Und alle, die sie entlarvt hat, bekämen ebenfalls, was sie verdienten.”
Es gibt einige Hoffnungsschimmer. Letztes Jahr wurde Joseph Muscat als erster ehemaliger Premierminister wegen Korruption angeklagt, weil er in einem Skandal um die Privatisierung von Krankenhäusern Bestechungsgelder angenommen hatte, den Daphne vor ihrer Ermordung untersucht hatte. In diesem Jahr wurden weitere hochkarätige Korruptionsfälle aufgedeckt.
Schutz durch Zusammenarbeit
Die Stiftung ist eine kleine Organisation mit acht Vollzeitmitarbeitern, darunter ein Freiwilliger, die sich für die Erfüllung der Mission Stiftung einsetzen. Sie hat Daphnes Mission übernommen und deckt Korruption in Malta auf.
Als freiberufliche investigative Journalistin, die auf ihrem eigenen Blog „Running Commentary” veröffentlichte, war Daphne Ermittlerin, Autorin, Redakteurin und Verlegerin in einer Person.
Amphora Media, eine investigative Journalismusplattform, die Anfang dieses Jahres von der Stiftung ins Leben gerufen wurde, knüpft dort an, wo Daphne aufgehört hat. Obwohl sie erst seit weniger als sechs Monaten existiert, verfügt sie bereits über ein beeindruckendes Archiv mit Berichten über zwielichtige Geschäfte, Maltas Abfallkrise und das Golden-Passport-Programm.
Corinne erzählt mir, dass Amphora Media gegründet wurde, um die Lücke zu füllen, die durch den Niedergang der traditionellen Medien entstanden ist, die sich nur schwer an die sich schnell verändernde Welt der Online-Medien anpassen können. Die Stiftung beschloss, neue Wege zu gehen und arbeitete mit verschiedenen Redaktionen zusammen, um an Recherchen zu arbeiten. Laut Corinne „gab es in Malta noch nie Vergleichbares- eine kollaborative Plattform, deren Zweck die Zusammenarbeit und nicht der Wettbewerb ist“.
Alles begann mit dem Programm „Cash for Passports“. Im Jahr 2021 leitete und koordinierte die Stiftung eine gemeinsame Untersuchung unabhängiger Nachrichtenagenturen in Malta, die zum ersten Mal überhaupt zusammenarbeiteten und gemeinsam eine Artikelserie mit dem Titel „Passport Papers“ veröffentlichten.
Amphora Media wurde schließlich im Februar dieses Jahres ins Leben gerufen. Der kooperative Ansatz, so Corinne, schaffe eine Schutzschicht: „Bei einer Untersuchung ergeben sich mehrere mögliche Spuren. Und dann, gegen Ende der Untersuchung, wird entschieden, wer welchen Aspekt der größeren Geschichte veröffentlichen wird. Und das an sich bietet schon Schutz.“
Das Team der Daphne Caruana Galizia Foundation
Negativer Optimismus
Diese Art der Teamarbeit ist anders als die, die Corinne im Vorfeld der Ermordung von Daphne beschreibt. Zwar wurde in den Mainstream-Medien auf Daphnes Recherchen Bezug genommen, doch scheuten die meisten sich, ihre Geschichten weiterzuverfolgen oder sich hinter ihre Ergebnisse zu stellen. „Das Endergebnis war, dass sie schließlich isoliert wurde“, sagt sie, beispielsweise als einer der Protagonisten still unabhängigen Redaktionen mit potenziell ruinösen rechtlichen Schritten in den USA und Großbritannien drohte.
Trotz der Fortschritte ist Corinne vorsichtig, die Entwicklungen in der maltesischen Medienlandschaft nicht zu überbewerten, und sagt mir: „Ich habe die beängstigende Vermutung, dass niemand mehr so ins Visier genommen wird wie sie, weil niemand mehr so viel auf sich nimmt wie sie es allein getan hat.“ Sie ist zwar bereit, den „negativen Optimismus“ anzuerkennen, den die geteilte Verantwortung in Bezug auf die Sicherheit schafft, schränkt dies jedoch ein: „Aber wenn das die einzige Schutzmaßnahme ist, ist das keine sehr gesunde Situation. Wir wissen, dass es Risiken gibt. Vier Jahre später sind die meisten Empfehlungen der öffentlichen Untersuchung zum Mord an Daphne noch nicht umgesetzt worden.“
Während Journalisten und Medien neue Wege finden, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, hat das Bewusstsein für die Gefahr nicht zu einem nennenswerten rechtlichen Schutz geführt. Laut Corinne hat sich „die Situation in Bezug auf die Nutzung von Einflussmöglichkeiten zur Durchsetzung der Rechenschaftspflicht verschlechtert, was Auswirkungen auf die Sicherheit von Journalisten hat. Es ist nach wie vor sehr schwierig, Informationen von der Regierung und den Behörden zu erhalten, und die Regierung hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das den Bürgern das Recht nimmt, direkt bei den Gerichten eine Untersuchung zu beantragen. Das war das einzige Instrument, um die Rechenschaftspflicht durchzusetzen, wenn die Institutionen selbst dies nicht tun.“
Über Malta hinaus hat die Stiftung die EU aufgefordert, Maßnahmen gegen die beispiellosen Morde an Journalisten durch israelische Behörden in den besetzten palästinensischen Gebieten zu ergreifen, und unterstützte die Forderung der Niederlande, das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel zu überprüfen.
Die maltesische Regierung macht weiter wie bisher
Der Beitrag der Stiftung zum Pressefreiheitsbericht von Liberties, in dem nur geringe Fortschritte im Medienumfeld, das Fehlen von Schutzmaßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit von Journalisten und die unzureichende Umsetzung der EU-Anti-SLAPP-Richtlinie festgestellt wurden, löste eine feindselige Reaktion der maltesischen Regierung aus. Corinne erzählt mir, dass die Regierung nach wie vor zu ihren alten Tricks greift und versucht hat, die Ergebnisse zu diskreditieren, indem sie auf deren Verfasser hingewiesen hat, „als ob dies irgendwie den Wert der von uns bereitgestellten Informationen zu Nichte machen würde, anstatt zuzugeben, dass wir maßgeblicher und besser informierter sind als jede andere NGO in dieser speziellen Angelegenheit.“
Für die Stiftung, so Corinne, die Teil des Liberties-Netzwerks ist, „hat uns dies eine Grundlage gegeben, auf der wir ehrgeizigere Ziele verfolgen können, als wir es sonst getan hätten“. In einem politischen Klima, in dem die Arbeit von Aktivisten und Journalisten schwieriger denn je ist, ist Zusammenarbeit unsere größte Stärke.
Dieses Interview wurde aus Gründen der Länge und Verständlichkeit bearbeitet.
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