Technologie & Rechte

Schwerer Rückschlag für die Meinungsfreiheit in Kroatien.

Die Organisation Zagreb Pride beschreibt einen Rechtsstreit, in dem die Entscheidung eines Gerichts die Freiheiten von LGBTIQ Menschen in Kroatien stark einschränkt.

by Petra Jurlina

Die letzte Gerichtsentscheidung gegen Zagreb Pride ist das Ergebnis einer organisierten Kampagne von Gruppen der klerikalen Rechten. Diese hatte bereits 2013 zu einem Referendum geführt, nach dem gleichgeschlechtliche Ehen verboten wurden. Die breit angelegte konservative Kampagne strebt an, die Menschenrechte von LGBTIQ Menschen einzuschränken und sexuelle sowie reproduktive Rechte in Kroatien einzuengen, indem sie unsere Partner von der "Stimme Nein" Kampagne 2013 ins Visier nimmt: CroL - Croatian LGBT News Portal, Center for Peace Studies, Center for Education, Information, and Counseling (CESI) und GONG.

Dieser Fall verdeutlicht, wie sie es geschafft haben das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken, indem es Zagreb Pride und anderen LGBTIQ Organisationen, LGBTIQ Bürgern und Menschen die deren Anliegen verteidigen untersagt, öffentlich den homophoben Charakter gewisser Aktionen als solchen zu benennen.

Eine Liste

Das Bezirksgericht von Osijek hat die Entscheidung des Stadtgerichts Zagreb bestätigt, in dem dieses urteilte, dass Zagreb Pride die persönliche Ehre und die Würde von Karolina Vidović Krišto, einer (mittlerweile ehemaligen) Angestellten des Kroatischen Rundfunks, HRT, verletzt hat, indem die Organisation die Klägerin auf www.zagreb-pride.net als Kandidatin für den Titel der homophoben Person des Jahres 2013 aufgelistet hatte.

Karolina Vidović Krišto ist Journalistin. Zur Zeit der Veröffentlichung von Zagreb Prides Liste der homophobsten Personen des Jahres 2013 arbeitete sie für HRT, den öffentlich rechtlichen Rundfunk Kroatiens. Die Tatsache ignorierend, dass die Verfassung sie als öffentliche Angestellte dazu verpflichtet, alle Bürger gleich und respektvoll zu behandeln, hat sie in ihrer Fernsehshow den kurzen Dokumentarfilm "The Kinsey Syndrome" von Christian J. Pinto ausgestrahlt, der die sogenannte Kinsey Forschung behandelt.

Dieser Dokumentarfilm suggeriert, dass es einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Pädophilie gibt. Karolina Vidović Krišto bezeichnet diese Ausstrahlung als Beispiel für informativen investigativen Journalismus. Sie hat es allerdings versäumt, jemandem aus der LGBTIQ Community die Gelegenheit zu geben, sich zu den gemachten Behauptungen zu äußern, außerdem hat sie den Beitrag benutzt, ohne sich um das Urheberrecht zu kümmern, weshalb sie von HRT mit Verweis auf ihr ethisches Fehlverhalten und die Autorenrechte suspendiert wurde. Darüber hinaus hat sich Karolina Vidović Krišto persönlich an der Organisation des Besuchs von Judith Reisman in Kroatien beteiligt.

"Wissenschaftlicher Beweis"

Judith Reisman behauptet öffentlich, das sie "wissenschaftlich" bewiesen hätte, dass Homosexualität Pädophilie fördere und das LGBTIQ Elternschaft grundsätzlich falsch sei. Karolina Vidović Krišto unterstützt solche Behauptungen, was sie durch die Ausstrahlung dieser Inhalte in ihrer Fernsehsendung zeigte sowie durch ihre öffentliche Aussage, dass Homosexualität eine "Sünde" sei und dass sie als Christin diese nicht unterstützen könne. Sie behauptete auch, dass 85% aller Pädophilen Homosexuelle seien.

Wegen dieses Zusammenhangs, insbesondere weil Karolina Vidović Krišto als Journalistin an einen hohen moralischen Standard gebunden ist und weil sie eine Person des öffentlichen Lebens ist, hat Zagreb Pride sie als die homophobe Person des Jahres 2013 nominiert.

In dem Fall Krišto v. Zagreb Pride, haben sowohl das Stadtgericht Zagreb als auch das Bezirksgericht Osijek argumentiert, dass Krišto lediglich ihre Meinung geäußert habe, dass Homosexualität "eine persönliche Wahl" sei und, dass sie sich zu "gender Ideologie" die auf dieser Wahl beruhe geäußert habe. Nach Ansicht beider Gerichte ist Homosexualität, da diese ja eine persönlich Entscheidung und eine Ideologie sei, legitimer Kritik und Beurteilung unterworfen. Dieser Argumentation folgend, argumentierten die Gerichte, dass es unfair sei, ihre Handlungen als homophob zu bezeichnen und dass diese Bezeichnung die persönlich Ehre und den Ruf von Karolina Vidović Krišto beschädige.

Belästigung

Gleichzeitig versagen die Kroatischen Gerichte darin, allen ihren Bürgern das gleiche Maß an "Schutz ihrer Ehre und ihres Rufs", anzubieten, wie etwa im Fall von Behauptungen, dass Homosexualität eine Krankheit sei. In dem Fall Poljaković befand das Bezirksgericht Zagreb, dass Prof. Ivan Poljaković von der Zadar Universität den Schutz des Rechts auf Freie Meinungsäußerung genießt, wenn er öffentlich erklärt, dass es wissenschaftlich bewiesen sei, dass Homosexualität eine Krankheit ist und dass die Gesellschaft sie auch als solche behandeln sollte. Nach Ansicht des Gerichts stellt eine solche Behauptung keine Verletzung der Würde von LGBTIQ Bürgern dar.

In dem bekannte Fall Krešić v.Zagreb University’s Faculty of Organization and Information von 2012, hat das Bezirksgericht Varaždin entschieden, Krešić habe die Ehre und den Ruf seiner an der Fakultät beschäftigten Kollegen beschädigt, indem er öffentlich unter Nutzung unterschiedlicher Medien über die Belästigungen gesprochen hat, denen er durch seine Kollegen aufgrund seiner sexuellen Orientierung ausgesetzt war.

Das Faszinierende an dieser Entscheidung ist die Tatsache, dass in parallel laufenden Verhandlungen sowohl das Bezirksgericht, als auch das Stadtgericht von Varaždin entschieden hatten, das Krešić tatsächlich unter Belästigung aufgrund seiner sexuellen Orientierung durch seine Kollegen gelitten hat. Krešić wurde also ironischerweise dafür bestraft, dass er von seinem Recht auf Freie Meinungsäußerung Gebrauch machte, um öffentlich die Wahrheit zu sagen.

Zensur

Aufgrund solcher juristischer Entscheidungen in Kroatien, hat sich Zagreb Pride dazu entschlossen, die von kroatischen Gerichten auferlegte de facto Zensur nicht hinzunehmen und das Grundrecht auf Freie Meinungsäußerung für alle Bürger, also auch für LGBTIQ, kompromisslos zu verteidigen auch auf die Gefahr juristischer Sanktionen und horrender Gerichtskosten hin.

Deshalb wird Zagreb Pride gegen die Entscheidung des Bezirksgerichts Osijek Verfassungsbeschwerde einlegen und das Verfassungsgericht ersuchen, das Recht auf Freie Meinungsäußerung zu bestätigen. Sollten die Anstrengungen in Kroatien vergeblich sein, wird Zagreb Pride umgehend eine Prozessstrategie für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entwickeln. Schließlich wird Zagreb Pride eine Reihe neuer Fälle als Teile einer Prozessstrategie in Kroatien eröffnen, um die beschriebene juristische Doktrin der Gerichte des Landes zu ändern, die insgesamt den Bezugsrahmen für Freien Meinungsäußerung in Kroatien einschränkt.

Aus Obengenannten Gründen kommen auf Zagreb Pride finanzielle Herausforderungen in bisher ungekannter Höhe zu, die unsere Aktivitäten und Anstrengungen im Kampf für Gleichheit und den Respekt der Menschenrechte von LGBTIQ Menschen in Kroatien gefährden. Wenn Sie genau wie Zagreb Pride an das Recht auf Freie Meinungsäußerung glauben, dann bitten wir sie inständig, unseren Kampf mit einem finanziellen Beitrag solidarisch zu unterstützen. Wir werden uns niemals den Mund verbieten lassen, dafür dass wir Homophobie, Biphobie und Transphobie anprangern.

Der Kampf geht weiter!

Im Namen von Zagreb Pride:

Jay Poštić, Executive Coordinator

Ivan Novosel, Steering Board Presider

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