Technologie & Rechte

Der EU bietet sich eine einmalige Gelegenheit, um die Medienfreiheit zu schützen

Eine freie Medienlandschaft ist unverzichtbar für die Demokratie. Doch in vielen EU-Ländern bröckelt dieser Grundpfeiler unter der Last von staatlicher Einflussnahme, finanziellen Kürzungen und Drohungen. Liberties hat konkrete empfehlungen für die EU.

by Jonathan Day

Die Medienfreiheit und der Medienpluralismus - die Vielfalt der Meinungen und Stimmen, die Vielfalt der Quellen, die breite Palette der verfügbaren Formate und fehlende Eigentumskonzentration - erodieren in den Ländern der EU, so der neue Media Freedom Report 2022 von Liberties. Dies hat weitreichende Folgen für die europäische Demokratie, die auf eine ausgewogene und gut informierte öffentliche Debatte angewiesen ist, welche wiederum erst durch eine genaue und unvoreingenommene Berichterstattung freier und unabhängiger Medien möglich wird.

Doch es gibt Hoffnung, den Niedergang zu stoppen: Die Europäische Kommission ist gerade dabei den Europäischer Rechtsakt zur Medienfreiheit (EU Media Freedom Act - MFA), ein neues Regelwerk, mit dem eine Reihe von Schutzmaßnahmen zum Schutz der Medienfreiheit in der gesamten Union eingeführt werden kann, zu formulieren. Damit trägt sie auch zum Schutz der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa bei.


Vielfältige Bedrohungen für die Medienfreiheit

Die staatliche Übernahme der Medien wurde in Ländern wie Ungarn und Polen gut dokumentiert. Dort wurden die größten Medien von Freunden der Regierungsparteien gekauft oder gerieten durch Veränderungen im Management oder der Kontrolle der Finanzierung unter politischen Einfluss. Kritische Medien wurden in ähnlicher Weise aufgekauft und dann geschlossen oder mit neuen, unzumutbaren Vorschriften drangsaliert.

Die öffentlich-rechtlichen Medien (Public service media - PSM) sind besonders betroffen, sie sollten ihren Auftrag, die Menschen mit öffentlich geförderten, aber redaktionell unabhängigen Nachrichten zu versorgen, frei erfüllen können. Neben der Bereitstellung von Informationen - in einer Form, die für verschiedene Gruppen eines großen Publikums, einschließlich Kindern, zugänglich ist - repräsentieren sie auch kulturelle Einstellungen und fördern gemeinsame Werte. Diese Ziele sind unerreichbar, wenn die öffentlich rechtlichen Medien (PSM) von der Regierung übernommen und in ein Sprachrohr verwandelt werden, das nur noch die von der Regierungspartei unterstützten Ansichten verbreitet.

Hetzkampagnen, Schikanen und unseriöse Klagen, sogenannte SLAPPs, sollen unabhängige Journalistinnen und Journalisten einschüchtern und führen dazu, dass diese sich selbst zensieren und Fälle von Korruption, Umweltzerstörung und anderen schändlichen Handlungen nicht weiter verfolgen. Diese Angriffe finden häufig offline statt - das geht bisweilen bis hin zum Mord, wie im Jahr 2021 an dem niederländischen Kriminalreporter Peter R. de Vries, aber auch online, wo Social-Media-Plattformen zu Plattformen für persönliche Angriffe und Drohungen geworden sind. Die meisten Belästigungen, denen deutsche Journalistinnen und Journalisten ausgesetzt sind, finden online statt, was dazu führt, dass sich einige zur Selbstzensur entschließen.

Wie die EU helfen kann, das Ruder herumzureißen

Der Europäische Rechtsakt zur Medienfreiheit bietet die Möglichkeit, sich zu wehren und die Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit derjenigen, die guten Qualitätsjournalismus liefern, besser zu schützen. Es gibt eine Reihe von konkreten Schritten, die die EU unternehmen kann, um dieses Ziel zu erreichen:

  • Der MFA sollte vorschreiben, dass die Verfahren zur Ernennung der Mitglieder der nationalen Medienaufsichtsbehörden demokratisch und transparent sind. Außerdem sollte sie grundlegende Standards für die Auswahlkriterien festlegen, darunter nachgewiesene Sachkenntnis in Fragen der Medienregulierung und Unabhängigkeit von politischem Einfluss oder Verbindungen, die einen Interessenkonflikt verursachen.
  • Um den Medienpluralismus zu schützen, sollte der MFA eine transparente europäische Datenbank einrichten, die Informationen über die gesamte Eigentümerkette von Medienunternehmen enthält, einschließlich der Eigentümer, die einen einflussreichen Anteil an Aktien oder Stimmrechten im Unternehmen haben. Alle Medien müssen dazu verpflichtet werden, verlässliche und aktuelle Informationen an die Datenbank zu melden und diese muss der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich sein.
  • Besonders wichtig ist, dass diese Transparenzanforderungen nicht für Blogger und Bürgerjournalisten gelten, um ihre Anonymität zu gewährleisten und sie vor Hassverbrechen zu schützen.
  • Um eine faire und transparente Verteilung der Finanzmittel zu gewährleisten, sollte der MFA Grundprinzipien festlegen, nach denen staatliche Beihilfen und Subventionen an Medienunternehmen vergeben werden. Dazu gehören politische Unparteilichkeit, Transparenz der Finanzierung, Rechenschaftspflicht, Förderungswürdigkeit und Durchführbarkeit. Außerdem sollten die Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, regelmäßig über die Verteilung von staatlichen Beihilfen und Subventionen an die Medien zu berichten.
  • Die Kommission muss die Umsetzung der EU-Empfehlung zum Schutz, zur Sicherheit und zur Befähigung von Journalistinnen und Journalisten genau überwachen, und zwar in enger Absprache und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und Medienvertretern. Dies muss insbesondere auch für damit zusammenhängende EU-Rechtsvorschriften wie den Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden gelten (Whistleblowing-Richtlinie). Desweiteren gehört der Schutz von Journalistinnen und Journalisten, die mit strategischen Klagen gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit (SLAPPs) konfrontiert sind zu diesem Komplex.
  • Außerdem sollte die jährliche Überwachung des Status der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in den Mitgliedstaaten Teil des jährlichen Rechtsstaatlichkeitsberichts der Kommission (zu dem Liberties einen eigenen Bericht beigesteuert hat) sein. Allerdings müssen die Benchmarks im Rechtsstaatlichkeitsbericht der Kommission in Bezug auf die Medienfreiheit klarer und konkreter formuliert werden.

Der gegenwärtige Krieg in der Ukraine ist ein Lehrstück für die Macht, die sich aus der Kontrolle der Medien ergibt. Putins Propaganda überzeugt die Menschen in Russland und anderswo davon, dass sein Krieg in gewisser Weise gerechtfertigt sei und, dass die Ukrainer gar nicht die Opfer, sondern die Aggressoren seien. In Ungarn, Polen, Slowenien und anderswo streben die EU-Regierungen eine ähnliche Kontrolle über ihre nationale Medienlandschaft an. Die öffentlich-rechtlichen Nachrichtenredaktionen sind nicht mehr frei, die Geschichten zu bringen, die sie bringen wollen, und die Fakten so zu berichten, wie sie sie vorfinden, so belastend sie auch sein mögen. Das bedeutet, dass Probleme wie schlechte Regierungsführung und Korruption im Verborgenen bleiben und die Bürgerinnen und Bürger ihres Rechts beraubt werden, sich zu informieren, um bei Wahlen eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Die EU wird bald die Chance haben, diese Situation zu ändern. Sie sollte den Europäischen Rechtsakt zur Medienfreiheit als ein Instrument betrachten, das nicht nur die Medienfreiheit unterstützt und schützt, sondern auch die europäische Demokratie selbst. Ohne informierte Bürgerinnen und Bürger und ohne freie und faire Wahlen verkümmert die Demokratie und der Autoritarismus setzt sich durch. Und die Konsequenzen daraus können, wie wir gerade erleben, schrecklich sein.

Wenn Du erfahren möchtest, was Liberties der Komisson in Bezug auf den MFA noch empfohlen hat, kannst du hier unser komplettes Positionspapier lesen.

Weitere Informationen zu diesem Thema:

EU Must Act as Countries Copy Putin’s Playbook to Control Media

Systemic threats make media freedom decline across Europe: Report 2022

Liberties Media Freedom Report 2022 Shows Worrisome Decline in Media Freedom Across Europe

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