EU-Beobachtung

Warum Selmayrs Ernennung schlecht für unsere Freiheiten ist

Als Martin Selmayr im letzten Monat zum Generalsekretär der Europäischen Kommission ernannt wurde, reagierten viele mit dem Vorwurf, die Kommission habe gegen ihre eigenen Regeln verstoßen, um ihn auf diese Position hieven zu können.

by Israel Butler

Es geht hier nicht um seine beruflichen Fähigkeiten oder seine politischen Neigungen, nicht einmal darum ob seine Ernennung formal den Regeln entsprach. Vielmehr geht es um die weit verbreitete öffentliche Wahrnehmung, dass seine Ernennung die Regeln verletzt hat.

Die Vorwürfe, die EU messe mit zweierlei Maß, wenn sie einerseits der ungarischen und der polnischen Regierung Vorhaltungen in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit mache und andererseits bei der Ernennung ihres ranghöchsten Beamten ihre eigenen Verfahrensregeln ignoriere, ließen nicht lange auf sich warten. Aber der wahre Schaden liegt nicht in der Glaubwürdigkeit der Kommission gegenüber der ungarischen Fidesz- oder der polnischen PiS-Regierung. Um die EU an den Pranger zu stellen ist es diesen Regierungen sowieso egal, ob sie sich dabei auf Fakten berufen können oder nicht. Das größere Problem liegt in der Wirkung auf die öffentliche Meinung.

Die öffentliche Meinung ist für die Kommission durchaus wichtig, vor allem in Ländern, in denen autoritäre Populisten auf dem Vormarsch sind. Warum sonst hätte sie den ungewöhnlichen Schritt unternommen, auf Orbans 'Stopp Brüssel' Kampagne zu reagieren. Und auch der Erste Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, würde bei seinen Ausführungen über Polen wohl kaum immer wieder betonen, dass er zwar Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung des Landes, keinesfalls aber mit dem polnischen Volk habe. Anscheinend hat Timmermans einen endlosen Vorrat an rührenden persönlichen Geschichten über das polnische Volk parat, ein Fundus, aus dem er jedes Mal schöpfen kann, wenn er über seine Probleme mit der polnischen Regierung sprechen muss. Diese Geschichten sind für die Öffentlichkeit gedacht, nicht für die Regierung. Die öffentliche Meinung ist der Kommission sogar so wichtig, dass die Kommissare nun verpflichtet sind, sich in der gesamten EU an einer Reihe von "Bürgerdialogen" zu beteiligen, also an offenen Debatten im Stil der amerikanischen Town Hall Meetings.

Die Kommission liegt richtig, wenn sie die öffentliche Meinung wertschätzt. Sie hat Schwierigkeiten, mit den ihr zur Verfügung stehenden politischen und rechtlichen Mitteln Druck auszuüben, um Regierungen, die gegen die Normen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte verstoßen, zu einer Kurskorrektur zu bewegen. Aber selbst wenn sie ihre Druckmittel einsetzt, hat sie es in Polen und Ungarn immer noch mit Demokratien zu tun, wenn auch mit geschwächten Standards. Der rückschrittliche Abbau des Schutzes der Bürger in diesen Ländern kann nicht allein durch internationalen Druck rückgängig gemacht werden. Der Druck der EU ist notwendig, aber letztlich kann die Veränderung nur von der Bevölkerung ausgehen.

Es ist nicht leicht für die Kommission, diese Bevölkerungen zu erreichen. Erstens haben Fidesz und PiS die öffentlichen Medien fest im Griff, und zumindest in Ungarn sind die privaten Medien stark von der Regierung beeinflusst. Zweitens erscheint die Kommission selbst unglaublich unfähig, direkt mit der Öffentlichkeit zu sprechen. Ihr Kommunikationsstil ist meist langweilig, oft technisch und manchmal schlichtweg unklug. So sehr, dass selbst in den Fällen, wo sich die Kommission positiver Entwicklungen in Europa rühmen könnte, ihr diese Erfolge oft von den nationalen Regierungen vor der Nase weggeschnappt werden. Den meisten Bürgern würde es schwerfallen, mehr positiv besetzte EU-Themen zu nennen als die Abschaffung von Passkontrollen, die Passagierrechte, Roaming-Gebühren und Erasmus - allesamt stolze Errungenschaften, aber weniger als eine pro Jahrzehnt seit der Geburt der EU.

Wenn die Kommission mit diesen Schwierigkeiten konfrontiert ist, kommt es umso mehr auf ihre Integrität an. Wie soll die Kommission in einem Kampf um die öffentliche Meinung die Menschen davon überzeugen, dass sie für ihre Freiheiten kämpft, wenn die Menschen nicht einmal darauf vertrauen können, dass sie sich selbst an ihre eigenen Regeln hält?

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