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Spanien erstmals wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verurteilt

Die Misshandlung von zwei inhaftierten Personen durch Beamte der Guardia Civil führt zur ersten Verurteilung Spaniens wegen einer materiellen Verletzung von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

by Rights International Spain

Spanien hat zwar bereits zehn Mal verfahrensrechtlich gegen Artikel 3 des Übereinkommens verstoßen (Fehlen einer effektiven Untersuchung), aber dies ist das erste Mal, dass das Land für schuldig befunden wird, einen materiellen Verstoß begangen zu haben.

In seinem Urteil in der vorliegenden Rechtssache Portu Juanenea and Sarasola Yarzabal v. Spain hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Spanien für die von den Klägern in der Obhut von Beamten der Guardia Civil erlittenen Verletzungen verantwortlich gemacht.

In einer zweiten Stellungnahme, die sich teilweise von der Mehrheitsentscheidung unterschied, kamen drei Richter zu dem Schluss, dass die Misshandlung der Kläger als Folter zu qualifizieren sei.

Die Fakten

Die beiden Kläger wurden 2008 an einem Kontrollpunkt von Beamten der Guardia Civil verhaftet. Sie wurden getrennt und in zwei Fahrzeugen untergebracht und auf eine für den Verkehr gesperrte Forststraße gefahren. Unterwegs wurden sie geschlagen und beleidigt.

Als die Fahrzeuge anhielten, warfen die Beamten der Guardia Civil die immer noch mit Handschellen gefesselten Gefangenen zu Boden und schlugen sie. Einer der Kläger wurde zu einem Fluss gebracht, wo sein Kopf solange unter Wasser getaucht wurde, bis er einiges davon verschluckt hatte.

Beide Personen wurden dann zunächst zum Hauptquartier der Guardia Civil gebracht und später zu ihnen nach Hause, wo dann noch eine Durchsuchung stattfand.

Schließlich wurden sie in San Sebastián ins Krankenhaus gebracht, wo sie von Gerichtsmedizinerinnen untersucht wurden. Einer der Kläger wurde aufgrund der Schwere der Verletzungen in die Intensivstation aufgenommen. Der andere wurde nach Madrid gebracht.

Misshandlung

Das Provinzgericht hat gegen vier Beamte der Guardia Civil ein Urteil gefällt. Nach Ansicht des Gerichts zeigten die Zeugenaussagen und forensischen Berichte, dass die Kläger weder versucht hatten zu fliehen, noch hätten sie sich der Festnahme widersetz.

Die Verletzungen waren größtenteils auf direkte und wiederholte Aggressionen zurückzuführen und nicht, wie behauptet, auf eine Immobilisierungstechnik, die während der Verhaftung angewandt wurde, was bedeutet, dass die Verletzungen nicht zu den Aussagen der Beamten passten.

Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidung des Provinzgerichts auf, stellte die bereits teilweise vom Provinzgericht zugelassene Version der Kläger in Frage und leugnete den Beweiswert der forensischen Berichte mit der Begründung, diese würden auf falschen Prämissen beruhen.

In Bezug auf die schwersten Verletzungen kam der Oberste Gerichtshof zu dem Schluss, dass diese das Ergebnis "unbestimmter" "späterer Faktoren" seien, die nach der Inhaftierung aufgetreten sind.

In seinem Urteil betont der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass die Straßburger Richter der Ansicht sind, der spanische Oberste Gerichtshof habe die Version der Kläger einfach abgewiesen, ohne den Ursprung der Verletzungen oder die mögliche Verantwortung der Guardia Civil zu ermitteln.

Außerdem ignorierte der Oberste Gerichtshof die Frage, ob die Anwendung physischer Gewalt durch die Beamten der Guardia Civil während der Operation unbedingt notwendig und verhältnismäßig war.

Der EGMR erinnerte die spanische Regierung daran, dass der Staat verpflichtet ist, eine plausible Erklärung über die Ursache der Verletzungen abzugeben. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die von den Klägern in den Bescheinigungen beschriebenen Verletzungen, die vom Obersten Gerichtshof oder der Regierung auch nicht bestritten wurden, eben doch genau dann eingetreten sind, als die Kläger in den Händen der Beamten der Guardia Civil waren.

Der Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, dass weder die nationalen Behörden noch die Regierung überzeugende oder glaubwürdige Argumente lieferten, die geeignet waren, die Verletzungen der Kläger zu erklären oder zu rechtfertigen.

Verfahrensgarantien

Eine Neuerung gegenüber anderen Verfahren gegen Spanien auf der Grundlage von Artikel 3 des Übereinkommens besteht darin, dass in diesem Fall eine wirksame Untersuchung stattgefunden hat, bei der die Beamten der Guardia Civil, die Kläger und mehrere Zeugen und Sachverständige, einschließlich Gerichtsmediziner, angehört wurden.

Nach Ansicht des EGMR beschränkte der Oberste Gerichtshof seine Arbeit nicht nur auf eine andere Interpretation der Beweise, sondern bewertete auch die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Kläger und anderer Zeugen neu.

Diese Neubewertung, die den Obersten Gerichtshof dazu veranlasste, die Beamten zu entlasten, hätte eine öffentliche Anhörung erforderlich gemacht, um die Kläger und Zeugen persönlich und direkt nach den Erfordernissen eines fairen Verfahrens anzuhören (Art. 6.1 der Europäischen Menschenrechtskonvention).

Der Oberste Gerichtshof wurde vom EGMR gerügt, weil er nicht versucht hatte, den Sachverhalt und die Umstände des Falles in möglichst erschöpfender und gewissenhafter Weise zu ermitteln, wie es seine Pflicht nach Artikel 3 der Konvention wäre.

Es sei daran erinnert, dass der EGMR im Jahr 2013 Spanien bereits viermal verurteilt hat, weil Berufungsgerichte (spanische Provinzgerichte) Beweismittel neu bewertet hatten, ohne die Kläger in einem öffentlichen Verfahren anzuhören.

Im Jahr 2016 ging der EGMR sogar so weit, Spanien zu ermahnen, weil der Sachverhalt in einem Fall ähnlich war wie in anderen Fällen gegen Spanien, in denen der Staat schuldig gesprochen wurde. Der EGMR wies erneut darauf hin, dass in allen Fällen, in denen die Beweismittel in der Berufung neu bewertet werden, eine öffentliche Anhörung stattfinden muss, um sicherzustellen, dass der Kläger ordnungsgemäß angehört wird. Im Jahr 2017 befand der EGMR Spanien erneut für schuldig, im Fall Atutxa gegen Artikel 6.1 verstoßen zu haben.

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