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RIS-Report: Spanien legt seit 2015 die "Verherrlichung des Terrorismus" zu restriktiv aus

Rights International Spain hat gut 50 Verurteilungen für "Verherrlichung des Terrorismus" untersucht und stellt fest, dass eine erhebliche Anzahl davon nicht mit internationalen Menschenrechtsgesetzen zum Recht auf freie Meinungsäußerung vereinbar ist.

by Rights International Spain
Pexels / Sora Shimazaki

Rights International Spain hat einen Bericht veröffentlicht, in dem die spanische Rechtsprechung zum Verbrechen der Verherrlichung des Terrorismus (Artikel 578 des spanischen Strafgesetzbuchs) untersucht wird. In der Arbeit werden Gerichtsentscheidungen analysiert, die getroffen wurden seit im Jahr 2015 die Reform des Strafrechts zu Terrorismusdelikten in Kraft getreten ist. Der Bericht konzentriert sich aus zwei Gründen auf diesen Zeitraum. Erstens, weil die Strafverfolgung des Tatbestands der Verherrlichung des Terrorismus von 2016 bis 2018 stark zugenommen hat, und zweitens, weil 2015 in Spanien Änderungen in Kraft traten, durch welche die Reichweite des Artikels 578 erweitert wurde.

Die Änderungen traten vor fünf Jahren (am 1. Juli 2015) in Kraft, der Zeitpunkt für eine Bewertung ihrer Auswirkungen ist also gekommen. Außerdem ist es auch mehr als drei Jahre her, dass die EU die Richtlinie 2017/541 zur Bekämpfung des Terrorismus erlassen hat. Diese Richtlinie enthält bereits eine Bestimmung über die Verherrlichung des Terrorismus und verlangt von der Europäischen Kommission, diese im Jahr 2021 zu bewerten. Diese Studie wird auch für den Bewertungsbericht der Europäischen Kommission relevant sein.

Der Bericht offenbart erhebliche Probleme, zeigt aber auch Lösungsansätze auf

Seit 2015 ist in Spanien die Zahl der Strafverfahren wegen des Verbrechens der "Verherrlichung oder Rechtfertigung" des Terrorismus nach Artikel 578 des spanischen Strafgesetzbuchs stark angestiegen.

Zahlreiche Twitter- und Facebook-Nutzer, Rapper, Dichter, Journalisten und Anwälte wurden seit 2015 unter dieser Bestimmung angeklagt, denn in diesem Jahr wurde sie um die "Verherrlichung oder Rechtfertigung des Terrorismus im Internet" erweitert. Der RIS-Report bewertet diesen Trend und die damit verbundene Rechtsprechung spanischer Gerichte aus der Perspektive der Menschenrechte. Die Autorinnen und Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass zahlreiche in diesem Zusammenhang gefällte Gerichtsurteile nicht mit den internationalen Menschenrechtsnormen zum Recht auf freie Meinungsäußerung vereinbar sind. Allerdings zeigen einige der Gerichtsentscheidungen, die mit den Menschenrechtsstandards übereinstimmen, Ansätze für eine Reform auf.

Artikel 578 des spanischen Strafgesetzbuchs, der 2015 geändert wurde, entspricht nicht den internationalen Rechtsstandards. Er erwähnt weder den Vorsatz noch das Herbeiführen einer Gefahr von Gewalt. Die im Bericht analysierten Entscheidungen variieren stark in der Auslegung der Elemente des Straftatbestands der Verherrlichung. Angesichts der schwammigen Formulierung und der vagen Natur von Artikel 578 ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Es gibt jedoch durchaus auch Urteile, bei denen eine stärkere Orientierung an internationalen Rechtsstandards, (Vorsatz, klare und unmittelbare Gefahr) erkenbar ist.

Unklarheiten und Rückschritte

Die erste Feststellung ist, dass die terroristischen Straftatbestände zu offen und mehrdeutig sind. Vor Gericht können dieselben Tatbestände auf Mitgliedschaft oder Kollaboration mit einer terroristischen Vereinigung, Anwerbung, Indoktrination, Selbstindoktrination oder Verherrlichung oder Rechtfertigung des Terrorismus hindeuten. Diese mehrfachen rechtlichen Qualifikationen und Anschuldigungen treten häufig im Zusammenhang mit internationalen Terrorismusfällen auf.

Wenn ein und derselbe Sachverhalt für mehrere Anschuldigungen herangezogen wird, gefährdet dies den Grundsatz der strafrechtlichen Legalität und das Recht auf ein faires Verfahren.

Mitte 2017 begannen die Gerichte damit, in ihren Urteilsbegründungen die beiden Elemente einzubringen, die notwendig sind, um festzustellen, ob der Straftatbestand der Verherrlichung angewendet werden kann, nämlich: die Notwendigkeit, das Vorhandensein einer Gefahr objektiv zu bewerten, und die Absicht des Täters, zu Gewalt anzustiften.

Im Jahr 2018 haben wir jedoch beobachtet, dass diese Elemente restriktiv ausgelegt werden. Während zum Beispiel ursprünglich der Nachweis eines objektiven Risikos gefordert wurde, gingen die Gerichte nun dazu über, die bloße "Eignung" zur Schaffung einer Risikosituation zu fordern. Diese Auslegung des Risikos bleibt weit hinter dem von der Richtlinie geforderten Standard zurück.

Motivation wird durch die Botschaft selbst definiert, und die Gerichte schränken den Schutz ein

Ein anderer Aspekt der Rechtsprechung, der einen klaren Rückschritt darstellt, ist die Feststellung von "Absicht" des Täters durch den Inhalt der Botschaft, was in der Praxis bedeutet, dass von Absicht ausgegangen werden kann, wenn die Botschaft eindeutig ist. Dies macht die Motivation und jede Art von nachfolgender Erklärung irrelevant.

Ein weiterer Befund des Reports ist, dass die Berufungskammer des Nationalen Gerichts in allen für diese Studie untersuchten Entscheidungen die weitest mögliche Auslegung des Straftatbestands der Verherrlichung angewandt hat und gleichzeitig die restriktivste und am wenigsten schützende Auslegung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit umsetzt. Insbesondere bei den Tatbestandsmerkmalen der Verhetzung und der Gefährdung stützt sich die Kammer auf veraltete Kriterien der Rechtsprechung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rechtsprechung derart erratisch ist, mit teilweise vollkommen widersprüchlichen und unvorhersehbaren Entscheidungen, dass sie eine große Rechtsunsicherheit erzeugt und damit das Legalitätsprinzip verletzt. Im Gegensatz zum EGMR, der dem Grundsatz der realen, konkreten und unmittelbar drohenden Gefahr folgt, entscheiden sich spanische Gerichte für die Anwendung eines "abstrakten" Risikobegriffs, der die Grenze des Strafrechts in beunruhigender Weise erweitert. Dadurch wird das Recht auf freie Meinungsäußerung möglicherweise ernsthaft beeinträchtigt.

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