Technologie & Rechte

Menschen mit Behinderungen sind in Polen nur unzureichend rechtlich abgesichert

Ein polnischer Mann, der seinen Therapeuten beschuldigt ihn vergewaltigt zu haben, legt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Berufung ein, nachdem polnische Gerichte seine Aussage als nicht vertrauenswürdig einstuften.

by Małgorzata Szuleka
Image: Casey Muir-Taylor - Flickr/CC content

Der EGMR wird unter anderem bewerten müssen, ob das polnische Recht geistig behinderte Menschen die notwendigen Bestimmungen bietet, um ihnen zu erlauben, frei und effektiv am Justizsystem teilzuhaben.

Die Geschichte von M. P.

M. P. ist geistig behindert und wird unter anderem auch von Psychologen unterstützt. Eines Tages kam er von seinem Therapeuten zurück nach Hause und seine Mutter bemerkte Blut auf seinem Körper, außerdem wirkte er verängstigt und erschrocken.

Die Familie klagte vor Gericht aber das Verfahren endete schließlich mit einem Freispruch für den Therapeuten. Der Hauptgrund für diese Entscheidung war, dass die Gerichte die Aussage des Opfers aufgrund seines geistigen Gesundheitszustands für nicht zuverlässig erachteten

In seiner Berufung vor dem EGMR legt M. P. dar, sein Recht auf ein faires Verfahren sei verletzt worden und er sei Opfer von Diskriminierung durch das Strafrechtssystem.

Keine rechtliche Absicherung

Das polnische Recht bietet immer noch keine Regelungen, welche die besonderen Bedürfnisse von geistig behinderten Menschen berücksichtigen. Die Polnische Rechtslage zur Zeit des Verfahrens in M. Ps Fall bot keine effektiven Vorkehrungen im Strafverfahren in Bezug auf geistig behinderte Menschen.

Obwohl es in den letzten Jahren durchaus Fortschritte im polnischen Recht gab, so betreffen diese Veränderungen doch lediglich die Spitze des Eisbergs von dem, was noch zu tun ist, denn die positiven Entwicklungen reichen nicht an internationale Standards zum Schutz der Menschenrechte und der Interessen der Opfer heran.

Die Verbesserungen betreffen unter anderem gewisse neue Vorgänge, die dem Strafrecht in Bezug auf behinderte Opfer von Sexualstraftaten hinzugefügt wurden, sowie die Möglichkeit, eine Vertrauensperson zu benennen, welche dem Opfer während der Ermittlungen zur Seite steht.

Trotzdem gibt es immer noch keine Regelung, welche die Zahl der Untersuchungen, die ein Opfer über sich ergehen lassen muss, einschränkt, obwohl solche Untersuchungen für geistig behinderte sehr anstrengend sind.

"Für geistig behinderte sollte es zusätzliche rechtliche Absicherungen geben, etwa eine obligatorische Absprache mit spezialisierten Psychologen über die Fragen, die ihnen bei Verhören gestellt werden", sagt Marcin Szwed, ein Anwalt des Strategic Litigation Programms der Helsinki Foundation for Human Rights.

Amicus Curiae Einschätzung

The Helsinki Foundation for Human Rights hat in dem Fall von M. P eine Amicus Currie Einschätzung beigebracht. Diese konzentriert sich vor allem auf eine rechtliche Analyse polnischer und internationaler Standards hinsichtlich des gleichberechtigten Zugangs von geistig behinderten Menschen zum Justizsystem sowohl als Zeugen als auch als Opfer.

Diese Menschen sind besonders anfällig gegen Verletzungen ihrer Rechte wie z. B. die Verweigerung einer ordentlichen Anhörung oder sogar völliges Ignoriert werden bei Ermittlungen und anderen rechtlichen Vorgängen.Zusätzlich zu den Problemen bei Strafverfahren gibt es auch bei zivilen und administrativen Verfahren keinerlei Vorkehrungen für geistig Behinderte.

Die Situation in anderen Ländern

Positive Beispiele für die Respektierung der Reche von behinderten Opfern und Zeugen kann man unter anderem im deutschen, britischen oder australischen Strafrecht finden. In Deutschland beispielsweise gibt es Richtlinien, nach denen geistig behinderte Menschen bei Vernehmungen von einer Vertrauensperson begleitet werden müssen.

"In Australien stehen Justizbeamten sehr spezifische Richtlinien und Handbücher zur Verfügung, wie sie sich beim Umgang mit Behinderten verhalten sollen. Darin geht es auch um die Frage, wie Gerichte und juristische Verfahren an die besonderen Bedürfnisse einer Person mit geistigen Defiziten angepasst werden sollten", erklärt der HFHR Anwalt Michał Kopczyński.

Über das Amicus Curiae hinaus hat die Helsinki Foundation for Human Rights auch den Justizminister aufgerufen, die diesbezüglichen Verfahren in Polen anzupassen und für einen angemessenen Schutz von Behinderten zu sorgen.

Der volle Berufungsantrag von M. P. steht hier zur Verfügung.
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