Technologie & Rechte

Das Chaos und die Falsche Gefahr durchschauen

Autoritäre brauchen Chaos und ein ständiges Gefühl der Gefahr, denn sie brauchen einen Vorwand, um neue Gesetze zu erlassen, die Deine Rechte und bürgerlichen Freiheiten immer weiter einschränken und sie behaupten, dass diene nur Deinem Schutz.

by LibertiesEU
There's something happening here
What it is ain't exactly clear

(Buffalo Springfield - For What It's Worth, 1967)

George Orwell war bereits ein sehr kranker Mann, als 1949 sein Roman Neunzehnhundertvierundachtzig veröffentlicht wurde (er starb nur sechs Monate später). 1984 ist sicher nicht das beste Buch aller Zeiten und auch keine hohe literarische Kunst – sprachlich stellt es den Leser nicht allzu sehr auf die Probe und es bleibt Satz für Satz weitgehend unauffällig. Aber es trotzdem gibt es viele gute Gründe, warum das Buch ein Klassiker geworden ist und weiterhin gelesen und mit der heutigen Realität der Leser verglichen wird.

Ich denke beim Einschlafen darüber nach. Eigentlich sollte ich über die Fortpflanzung von Einhörnern nachdenken, aber ich denke darüber nach, wie viel mein Smartphone über mich weiß und ob ich wirklich meine Laptopkamera zukleben sollte. Leben wir in 1984? Ich wälze die Gedanken, während ich versuche, einzuschlafen. Sicherlich gehen die Überwachungsmöglichkeiten meiner Regierung weit über das hinaus, was Orwell sich vorgestellt hat. Aber in 1984 ist die Kontrolle der Regierung ein bekannter Fakt. Ich frage mich, wie sehr das heute der Fall ist. Da wir keine Beweise für Big Brother im Alltag sehen können, ist es so einfach, all das zu vergessen.

There's a man with a gun over there
Telling me I got to beware

Ich hasse es, das Frühstück auszulassen, aber zu spät zu kommen hasse ich noch mehr. Ich beeile mich, mein Haar ist noch nass und ich kann die Schlüssel nicht finden. Wo sind meine verdammten Schlüssel?! Im Radio, dass aus der Küche schallt, bittet mich Avicii, ihn zu wecken, wenn alles vorbei ist. Wake me up, Avicii, sobald meine Präsentation fertig ist. Plötzlich bricht das Lied ab und eine strenge Stimme ermahnt mich:

"Dies ist ein Sicherheitsalarm: Die nationale Terrorstufe wurde auf Clownsnasen-Rot angehoben, ich wiederhole, Clownsnasen-Rot. Alle Bürger sind aufgefordert, wachsam zu sein und jede verdächtige Aktivität zu melden."

Komisch, denke ich, so einen Alarm habe ich noch nie gehört. Aber mein Gedanken sind immer noch bei meiner Präsentation. Und diese verdammten Schlüssel. Alfredo, meine Katze, öffnet ein Auge und blickt mich von seinem Lieblingsplatz auf der Heizung aus an. Er muss denken, dass ich lächerlich aussehe, aber Kittekat kauft sich eben nicht von selbst.

Es ist ziemlich dunkel heute Morgen. Im Stillen rezitiere ich meinen Vortrag in dem es um die Ethik der agrarwirtschaftlichen Aufzucht von Einhörnern geht, und ob das ein nachhaltiger Weg ist, das Überleben der Art zu sichern. Unten am Kiosk kaufe ich eine Zeitung und schaue mir die Titelseite an. Die Schlagzeile scheint sich auf das zu beziehen, was ich im Radio gehört habe: Riesiger Terroranschlag vereitelt; Polizei sagt, die Bedrohung bleibe bestehen. Die Leser werden daran erinnert, besonders vorsichtig zu sein und jeden zu melden, der verdächtig aussieht. Es heißt sogar ganz unverhohlen "sieht aus, als wären sie nicht aus diesem Land". Was bedeutet das? Dank der jüngsten Einwanderungsreform haben wir hier doch kaum noch Minderheiten.

Dann sehe ich etwas, das die Einhörner endgültig aus meinen Gedanken galoppieren lässt: Ein paar Dutzend Menschen haben sich an der U-Bahn-Station versammelt. Meine Neugierde setzt sich gegen meine Pünktlichkeit durch und ich nähere mich der Menge, da ertönen schon Sirenen und von überall her kommen Polizeiautos heran.

"An alle Demonstranten: Halten Sie Ihre Ausweise bereit."

Ich bin jetzt ganz nahe bei der Gruppe der Demonstranten. Die Einhörner galoppieren zurück in meine Gedanken. Ich sollte inzwischen längst im Büro sein. Ich kann nicht bleiben. Ich protestiere nicht einmal. Ich frage einen der Polizisten, warum er hier ist.

"Die Frage ist, warum Sie hier sind!", antwortet er.

"Ich bin frei, mich zu bewegen, wo ich will, und ich wollte nur die Menschenmenge sehen",

antworte ich, aber er überprüft immer noch meine Dokumente und leert meine Taschen aus.

"Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme", sagt er. "Eine neue Anweisung der Regierung. Anscheinend gab es einen Hinweis auf einen Terroranschlag. Sie dürfen jetzt gehen. Das geht nicht gegen Sie, wir tun das für Sie."

Ich eile ins Büro.

Paranoia strikes deep
Into your life it will creep

Ich bin schon halbfertig mit meiner PowerPoint Präsentation und erläutere gerade den Nährwert verschiedener Grasarten für neugeborene Einhörner. Hundszahngras ist recht einfach anzubauen aber nicht annähernd so nahrhaft wie Schwingel. Ich denke, es gibt zwei oder drei meiner Kollegen, die noch immer aufmerksam sind.

Am Ende meiner Präsentation kommt die erste Frage von meinem Chef. "Haben Sie heute Morgen am Anti-Einhorn-Protest teilgenommen?"

Ich Schlucke: "Ja. Nein. Nein. Versehentlich. Ich bin da reingestolpert."

"Sie sollten besser Ihre Sachen packen. Ich habe fotografische Beweise dafür, dass Sie dabei waren."

Als ich mich umdrehe, fügt er hinzu: "Das steht jetzt in Ihrer Akte."

Meine Freundin Veronika steht auf und verlangt eine Erklärung.

"Ich habe das Foto vom Innenministerium bekommen", sagt mein Chef. Alle Köpfe drehen sich zu mir um. Dann sagt er: "Veronika, Sie können ihre Stelle übernehmen. Sie kennen sich sowieso besser mit IVF aus."

"Aber wir sind Freundinnen, ich will, dass sie bleibt", sagt sie.

"Es ist Ihre Entscheidung", sagt unser Chef. "Die Stelle steht Ihnen die nächsten 30 Minuten offen." Veronika schaut mich an.

Ich verlasse das Büro. Es ist schon dunkel. Ich lasse noch einmal den ganzen Tag vor meinem inneren Auge Revue passieren. Ich war in Eile als ich losging und erwartete voller Freude, das mir anerkennend auf den Rücken geklopft würde für meine hervorragende Präsentation.

Die Polizei ist immer noch überall. War der Einhornprotest wirklich eine Bedrohung der Sicherheit? Irgendwie fühle ich mich nicht sicherer, wenn die Polizei da ist. Aber ich schiebe mir den Gedanken lieber wieder aus dem Kopf und mache einen kurzen Zwischenstopp beim Supermarkt. Für eine Dose Kittekat.

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