Technologie & Rechte

Belgische Zivilgesellschaft klagt für Erhalt der Rechtsbeihilfe

Mehr als 20 Organisationen der belgischen Zivilgesellschaft haben sich zusammengetan, um vor dem Verfassungsgericht ein Revisionsverfahren gegen Reformen des Prozesskostenhilfe-Systems anzustrengen.

by David Morelli

Die Vertreter der Organisationen, stellen fest, dass Menschen, die Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes große Schwierigkeiten haben, einen Anwalt zu ernennen.

Das neue Gesetz beinhaltet eine tiefgreifende Reform des Systems der Prozesskostenhilfe

  • Der Zugang zu Prozesskostenhilfe ist beschränkt: Sogar Sozialhilfeempfänger sollen nicht mehr automatisch Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben und ihren Anspruch mit Belegen nachweisen.
  • Für jeden berufenen Rechtsanwalt und für jedes Gerichtsverfahren muss ein Eigenbeitrag gezahlt werden (20 Euro für einen Anwalt und 30 Euro für ein Gerichtsverfahren). Sogar Menschen, die eine völlig kostenlose Rechtsbeihilfe erhalten, müssen zahlen. Bei komplexen Gerichtsverfahren kann dadurch der Gesamtbetrag sehr hoch werden, da der Prozessführer für jeden neuen Prozess 30 Euro zu zahlen hat.
  • Das Vergütungssystem für Anwälte, die im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Systems arbeiten, wurde vollständig überarbeitet, allerdings wurden keine Informationen oder Garantien bezüglich der Höhe der Kompensation gemacht. Rechtsanwälte, die von der Reform betroffen sind, werden erst Mitte 2018 erfahren, was sie für bereits jetzt angebotene Dienstleistungen verdienen.

Übereilte Beratung ...

Das neue System führt zu übermäßiger Verwaltungsarbeit für Prozessführende und Rechtsanwälte. Kläger müssen jetzt Auskunft über ihre "Lebensgrundlagen" gegen, sie müssen also negative Beweise liefern (die nur sehr schwer zu erbringen sind).

Das bedeutet, dass Menschen, die bereits sozial schwach sind, komplexe Verfahren durchlaufen müssen, um Unterlagen zu sammeln, ohne dass die Ernennung eines Rechtsbeistandes am Ende garantiert wird. In dringenden Fällen ist es sehr wahrscheinlich, dass Anwältinnen und Anwälte nicht in der Lage sein werden, ihre Arbeit pünktlich zu erledigen. Angesichts dieser Situation geben manche Menschen sogar auf und verzichten darauf, ihre Rechte zu erstreiten.

Die Rechtsanwälte wiederum werden für die Unterstützung und Beratung, die sie ihren Klientinnen Anfangs bieten, nicht bezahlt. Um überhaupt einen Rechtsanwalt gestellt zu bekommen bedarf es mehrerer Sitzungen mit dem Klienten bzw. der Klientin und mehrerer Kontakte mit dem zuständigen Amt für die Prozesskostenhilfe.

... oder gar keine Beratung

Hinzu kommt, dass Rechtsanwälte nicht wissen, ob und wie hoch sie bezahlt werden und dass ihre Vergütung in den meisten Fällen auch noch abgewertet wird. Infolgedessen weigern sich viele Anwälte, innerhalb des Prozesskostenhilfe-Systems zu arbeiten.

So hat sich die Zahl der ständigen Rechtsanwälte die Abteilung "Überschuldung" des frankophonen Rechtsbeihilfe-Büros von Brüssel seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. September 2016 um die Hälfte verringert. Diese Abteilung denkt jetzt darüber nach, die Arbeit ganz einzustellen. Das bedeutet, dass sie nicht mehr in der Lage sein wird, Menschen die überschuldet sind einen Anwalt zur Seite zu stellen. Eine ähnliche Situation wird sich wahrscheinlich für die meisten Abteilungen des Büros ergeben.

Als Reaktion auf diese Beobachtung und die konkrete Schwierigkeit, Rechtsanwälte zu finden, die bereit sind, ihre Kunden zu unterstützen, haben etwa 20 Organisationen beschlossen, juristisch gegen diese Reform vorzugehen. Einige von ihnen hatten bereits die Vollstreckungsanordnung des Gesetzes vor der belgischen Staatsanwaltschaft angefochten (der Fall ist noch anhängig). Außerdem wurden am 17. Januar vor dem Verfassungsgericht Rechtsmittel eingelegt, und es wird erwartet, dass das Verfahren mehrere Monate dauern wird.

Unterzeichner (Unterzeichnerorganisationen und unterstützende Organisationen):

Aimer Jeunes, Association de Défense des Allocataires Sociaux, Association pour le Droit Des Etrangers, Association Syndicale des Magistrats, ATD Quart Monde en Belgique – ATD Vierde Wereld in België, Atelier des droits sociaux, Belgisch Netwerk Armoedebstrijding - Réseau belge de Lutte contre la Pauvreté, Atelier des droits sociaux, Bureau d’Accueil et de Défense des Jeunes, Défense des Enfants – International – Belgique – Branche francophone, Intact, Fédération laïque des centres de planning familial, Ligue des Droits de l’Homme, Luttes Solidarités Travail, Organisatie voor Clandestiene Arbeidsmigranten, Point d’appui, Réseau Wallon de Lutte contre la Pauvreté, Service d’action sociale bruxellois, Service international de recherche, d’éducation et d’action sociale, Syndicat des Avocats pour la Démocratie, Vlaams Netwerk van verenigingen waar armen het woord nemen, Vluchtelingenwerk Vlaanderen, Woman’do.
Donate to liberties

Gemeinsam machen wir den Unterschied

Wenn viele sich zusammenschließen, besiegen wir die wenigen, die denken, sie hätten die ganze Macht. Schließ dich uns an, es geht um Rechte für uns alle.

Mach mit beim Schutz unserer Freiheiten

Wir haben
► Den größten Fonds für Demokratieinitiativen in der EU geschaffen
► Neue Befugnisse geschaffen, um Autokraten die EU
► Finanzierung zu entziehen
► neue EU-Regeln verfasst, um Journalisten und Aktivisten vor Scheinklagen zu schützen

► Über 400 Menschenrechtsverteidiger/innen ausgebildet, um die Kampagnen, die dir am Herzen liegen, zu unterstützen.


Weitere Meilensteine

Gemeinsam machen wir den Unterschied

Wenn viele sich zusammenschließen, besiegen wir die wenigen, die denken, sie hätten die ganze Macht. Schließ dich uns an, es geht um Rechte für uns alle.

Aboniere den Newsletter, um

dabei zu sein

Warum sollte ich?

Du bekommst die neuesten Berichte vor allen anderen!

Du kannst miterleben, wie wir uns für Deine Rechte einsetzen!

Du wirst sehen, was wir erreicht haben!

Zeig mir ältere Ausgaben des Newsletters