EU-Beobachtung

Rumänien gibt grünes Licht für Korruption

Der Vorschlag der rumänischen Regierung, korrupten Politikern Amnestie zu gewähren, droht die Rechtsstaatlichkeit weiter zu destabilisieren. Die Bürger haben, offen gesagt, schon viel zu viel Praxis darin, für ihre Rechte und Demokratie zu protestieren.

by LibertiesEU

Rumänien hat in diesem Monat zum ersten Mal die rotierende Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union übernommen und damit eine einflussreiche Stellung, um wichtige politische Ziele für die Union festzulegen, auf die sie in den nächsten sechs Monaten und darüber hinaus hinarbeiten soll. Aber diese Position bringt auch eine verstärkte Kontrolle der Bukarester Regierung mit sich, und das zu einer Zeit, in der EU-Beamte sowie Aktivisten für Menschenrechte und Demokratie Alarm schlagen, weil sie die Grundrechte und die Rechtsstaatlichkeit bedroht sehen.

Amnestie für die eigene Klientel

Und aktuell gibt es wieder neue Gründe, sich Sorgen zu machen: Anfang dieses Monats kündigte Justizminister Tudorel Toader an, dass die Regierung ein Notstandsdekret vorbereitet, das frühere Verurteilungen wegen Korruption gegen Politiker und andere Eliten aufhebt und bestehende Ermittlungen einschränkt oder beendet. Die Regierung behauptet, dass das Dekret verabschiedet wird, um Platz in den überfüllten Gefängnissen des Landes zu schaffen, aber es ist schwer vorstellbar, wie die Aufhebung der Verurteilungen von Menschen, die sowieso meist um eine Gefängnisstrafe herumkommen, diesem Ziel dienlich sein soll.

Es wird aber die strafrechtlich wirksamen Verurteilungen gegen zahlreiche angehörige der Elite beseitigen und ihnen nicht nur eine saubere Weste bescheren, es wird ihnen sogar wieder ermöglichen ein öffentliches Amt zu bekleiden, denn verurteilten Kriminellen ist es in Rumänien per Gesetz untersagt, Regierungsjobs zu halten. Das sind super Neuigkeiten für Liviu Dragnea, den Vorsitzenden der Regierungspartei in Rumänien. Er wäre wahrscheinlich auch Premierminister, wäre er nicht längst wegen Korruption verurteilt worden. In seinem Fall handelte es sich um Wahlmanipulation, was doch genau der Hintergrund ist, den man sich für jemanden wünscht, der eine Demokratie führen will. Es wird gemunkelt, dass er bei der Amnestie ganz vorne dabei sein wird, sollte das Dekret Gesetz werden, also Vorsicht, rumänische Demokratie.

Dragneas Fall ist eigentlich das beste Argument gegen die vorgeschobenen Gründe der Regierung für das Amnestiedekret: Er saß genau null Tage im Gefängnis für Verbrechen, die ihm eine jahrelange Haft hätten bescheren können. Es ist wahr, dass gegen andere korrupte Politiker Strafen von einigen Jahren verhängt wurden, es stimmt allerdings auch, dass diese oft schon sehr früh auf Bewährung entlassen wurden. Ein wegen Bestechung verurteilter Politiker kandidierte sogar als Bürgermeister von Bukarest, obwohl er angeblich gleichzeitig eine Gefängnisstrafe von vier Jahren verbüßte. In einem Land mit Zehntausenden von Häftlingen ist es lächerlich zu behaupten, dass Amnestie für korrupte Politiker, selbst wenn es sich dabei um Aberhunderte handelt, ein probates Mittel sei, um der Überfüllung der Gefängnisse Herr zu werden.

Eine schmutzige Situation, aber es wird besser.

Gerade jetzt ist das Dekret besonders deprimierend. Trotz des Ausmaßes der Korruption in Rumänien hat das Land in den letzten Jahren echte Fortschritte bei deren Bekämpfung gemacht. Hunderte von Beamten - Abgeordneten, Ministern, Bürgermeistern, Richtern und Staatsanwälten - wurde der Prozess gemacht. Die Europäische Kommission hat die rumänische Antikorruptionsbehörde sogar als eine der fünf besten in der EU bezeichnet.

Das Nationale Antikorruptions-Direktorat (DNA) wurde 2002 gegründet und ist für die Ermittlung und Verfolgung von korruptionsbezogenen Verbrechen zuständig und es hatte wahrlich viel zu tun. Laura Codruta Kovesi übernahm die Leitung der Agentur im Jahr 2013 und erhöhte erst einmal das Personal und die Intensität ihrer Untersuchungen. Allein im Jahr 2014 hat die Agentur Dutzende von Bürgermeistern, fünf Abgeordnete, zwei ehemalige Minister und einen ehemaligen Premierminister erfolgreich belangt. Gegen Hunderte von Richtern und Staatsanwälten wurde ebenfalls ermittelt. Kovesi hatte eine 90-prozentige Verurteilungsrate gegen einige der mächtigsten und am besten verbundenen Angeklagten des Landes, und die Rumänen haben das bemerkt: Laut einer Umfrage im Jahr 2015 gaben 60 Prozent der Rumänen an, dass sie der DNA vertrauen, während nur 11 Prozent angaben, dem Parlament zu vertrauen. Im nächsten Jahr erreichte das Büro von Kovesi Verurteilungen gegen vier Bürgermeister, drei Minister der Regierung, einen Regionalrichter, ein Mitglied des Europäischen Parlaments und sechs Abgeordnete - darunter auch Dragnea.

Unnötig zu sagen, dass Kovesi wahrscheinlich nicht viele Freunde in der Regierung gefunden hat, statt dessen hat sie sich einflussreiche Feinde gemacht. Im Februar letzten Jahres leitete Justizminister Toader - ja, schon wieder dieser Justizminister Toader - ein Verfahren zur Entfernung von Kovesi ein, und im Juli war sie weg. Ihre Nachfolgerin hielt ein halbes Jahr durch, bevor sie aufgrund des feindlichen Arbeitsumfeldes aus Politikern und regierungsfreundlichen Medien zurücktrat. All dies dürfte dazu beigetragen haben, dass Rumänien im Corruption Perceptions Index 2018 von Transparency International Platz 25 von 28 EU-Ländern belegt. Sollte das Amnestiedekret durchgehen, wäre Rumänien auf dem besten Weg zu einem noch schlechteren Ergebnis im Index des nächsten Jahres, obwohl es im Rennen nach unten durchaus ernst zu nehmende Konkurrenz aus Bulgarien, Griechenland und Ungarn hat.

Kein rein rumänisches Problem.

In vielerlei Hinsicht scheint es, als hätte sich Rumäniens Politische Klasse mit dem neuen Korruptionsdekret ein Eigentor geschossen. Es wurde genau dann angekündigt, als das Land im Rampenlicht der EU-Präsidentschaft stand und folgte unmittelbar auf die Warnungen der EU in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit von Nichtregierungsorganisationen. Wenn man aber bedenkt, wie schamlos andere EU-Länder, insbesondere Ungarn und Polen, das Recht und die Werte der EU vollkommen ignorieren und wie wenig Konsequenzen ihr Verhalten, zumindest bisher, nach sich gezogen hat, erscheint es schon weniger überraschend. Und wie in Ungarn und Polen ist auch in Rumänien die Korruption ein EU-weites Problem. Von den geschätzten 904 Milliarden Euro, die jedes Jahr in der gesamten EU durch Korruption verloren gehen, entfällt auf Rumänien ein beträchtlicher Teil. Noch deutlicher wird das, wenn man bedenkt, dass mehrere rumänische Korruptionsfälle mit Betrug und Missbrauch von EU-Geldern zu tun haben, darunter ein Fall gegen Dragnea (aber nicht der, für den er verurteilt wurde - ja, er ist ein ziemlich beschäftigter Mann).

Jetzt, da Rumänien an der Spitze der EU-Tafel sitzt, wäre für andere Mitgliedstaaten ein guter Zeitpunkt, die guten Tischmanieren mal beiseite zu legen und den Druck auf die Regierung zu erhöhen, den Rechtsstaat vollständig wiederherzustellen und den Kampf gegen die Korruption ernst zu nehmen. Gegenwärtig scheint die rumänische EU-Präsidentschaft jedoch mit einem weiteren Rückschlag für ein Land zu beginnen, dessen Bürger schon viel zu oft von der eigenen Regierung verraten wurden.

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