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Bulgarien: Behindertes Kind verliert Hand wegen Vernachlässigung; BHC zieht vor EGMR

Zum sechsten Mal hat das Bulgarian Helsinki Committee einen Fall beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht, bei dem es um Bulgariens unangemessene Betreuung von Elternlosen mit Behinderungen in staatlichen Einrichtungen geht.

by Bulgarian Helsinki Committee

Dimitar Rossenov war 2 Jahre und 8 Monate alt, als im Jahr 2003 seine einzige funktionierende Hand (die andere ist seit der Geburt gelähmt) am Ellenbogen amputiert wurde, weil langandauerndes Abklemmen durch einen "Handschuh" und Gummibänder zu einer Nekrose geführt hatte.

Das Personal setzte den Handschuh und die Gummibänder ein, um zu verhindern, dass Dimitar seine Hand in den Mund steckte um zu erbrechen, was er tat, weil sein Hals durch eine schwere und unbehandelte gastroösophageale Refluxkrankheit (chronisches Sodbrennen) schmerzte.

Nachdem die Medien über den Vorfall berichteten, untersuchten das Gesundheitsministerium und die Agentur für Kinderschutz den Fall und stellten fest, dass die Hand von Dimitar für mehr als einen Tag ohne ärztliche Verschreibung festgebunden war, ohne dass das Personal den Zustand des Kindes überwachte. Weder war seine Krankheit ordentlich vermerkt, noch wurden irgendwelche Änderungen seines Zustandes festgehalten. Der Leiter des Heimes wurde gerügt.

Trotz der nachweisbaren Notwendigkeit einer ständigen medizinischen Beobachtung Dimitars, brachte der Staat ihn später in einem Heim für Jugendliche mit geistigen Behinderungen im Dorf Vidrare unter, das kein Krankenhaus ist sondern ein Wohnheim.

Antrag auf gerichtliche Vertretung

Seit 2013 hat sich das bulgarische Helsinki-Komitee (BHC) immer wieder an die Strafverfolgungsbehörden gewandt und eine ordnungsgemäße Untersuchung der schweren Verletzung von Dimitar verlangt. Später äußerte sich die Organisation besorgt wegen der Einstellung der Ermittlungen.

Am 14. Februar 2017 appellierte das BHC beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und forderte das Gericht auf, das Recht des BHC, im Namen des Kindes in Berufung zu gehen anzuerkennen, da dieses wegen seiner geistigen Behinderungen nicht in der Lage ist, seinen Willen vor dem Gericht zu bekunden und weil sich weder seine Verwandten je um ihn gekümmert haben, noch sein Land einen Vormund bestellt hat.

Der Schutz von institutionalisierten Kindern mit Behinderungen ist eine der Hauptaktivitäten des BHC. Wegen der Weigerung der Strafverfolgungsbehörden, den kriminellen Missbrauch von Kindern in den so genannten "Häusern" im Jahr 2009 zu untersuchen, legte der BHC eine Klage gegen das bulgarische Amt des Staatsanwalts ein, wegen Verstoßes gegen das Anti-Diskriminierungsgesetz. Das Verfahren geht von der Prämisse aus, dass, wenn Kinder aus solchen Häusern geistig behindert sind und ohne Familienangehörige oder andere, die sich für sie einsetzen, aufwachsen, die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist zu ermitteln, wenn es einen deutlichen Beweis für ihre schwere Vernachlässigung und eine nachweisbar überdurchschnittliche Sterblichkeit gibt.

6 Jahre, 0 Strafverfolgungen

Im Jahr 2010 nahm Oberstaatsanwalt Boris Velchev Kontakt mit dem BHC auf und bat um Zusammenarbeit. Gemeinsame Erhebungen des BHC und der Staatsanwälte wurden in allen ähnlichen 26 "Häusern" durchgeführt. Es wurden viele Daten über eine große Anzahl von Todesfällen von Kindern gefunden - 238 in 10 Jahren, vor allem wegen Unterernährung und Vernachlässigung.

Seitdem überwacht das BHC für insgesamt 350 Kinder mehr als 240 Vorverfahrensermittlungen und Strafverfolgungsakten. Nach mehr als sechs Jahren Ermittlungszeit hat die Staatsanwaltschaft in keinem Fall Anklage wegen Misshandlung erhoben. Stattdessen bricht sie jede Untersuchung systematisch ab, bevor der Fall einen Gerichtssaal erreichten kann.

Im selben Zeitraum hat das BHC in fünf weiteren ähnlich gelagerten Fällen Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht.

Obwohl der Prozess der Deinstitutionalisierung vor Jahren begonnen hat und es eine Vereinbarung über die Schließung einer großen Anzahl von Häusern für medizinische und soziale Betreuung gibt, gibt es keinen Plan, wie man in der Zukunft vorgehen will und deshalb existieren diese "Häuser" immer noch und sie nehmen auch weiterhin neue Kinder auf.
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